Eines hat der Roman geschafft, er hat mich beim Lesen sehr beschäftigt. Allerdings waren die Gefühle, die er in mir hervorrief, alle meist eher weniger positiv besetzt. Auf dem Innenklappentext ist die Rede von einem „empfindsamen Helden“ – was ich fand, war vorallem einer, der über lange Strecken das Leben über sich ergehen lässt. Es „passiert“ ihm einfach, er tut das, was erwartet wird oder was er für Erwartungen seiner Umwelt hält, ab und zu verfällt er in Aktionismus, dann wird er wieder so passiv, dass es schwer auszuhalten ist.
„Über dem weiten Platz lag die erste Morgensonne, und da ging sie nun, wie eine gekränkte Göttin. Ich war einigermaßen perplex, erschrocken über ihre Heftigkeit, zugleich erleichtert, als hätte ich mich in letzter Sekunde aus einer misslichen Lage befreit.“
Hin und wieder stolpere ich über feine Sätze, sehr plastische Schilderungen, die mich ein wenig versöhnlicher stimmen. Das Buch bricht in der Mitte, geht in einer Rückblende zurück in Georgs Familiengeschichte, versucht sich an Erklärungen, warum Georg, geprägt durch die Untreue seines Vaters und die schwierige Ehe seiner Eltern, selbst im (Ehe)-Leben nicht zurechtkommt und obwohl ich ahne, was der Autor dem Leser zu vermitteln versucht, komme ich unserem Helden nicht nahe, zu sehr unterscheiden sich unsere Lebensarten.
Als ich mich für das Buch zu interessieren begann, empfand ich vor allem die Komponente eines Vaters von drei Kindern als interessant, eines Vaters, der sich engagiert und der seine Kinder liebt. Und doch – hier und da fehlt mir einfach zuviel innerhalb der Erzählung, um die Entwicklung der Familie und der Kinder nachvollziehen zu können. Da wirkt es unfertig, da wird angedeutet und nicht ausgeführt. Manche Ereignisse kündigen sich drohend an um dann im nächsten Kapitel sang und klanglos zu versickern. Erst zum Schluss hin beginnt Georg für mich ein wenig zu reflektieren und schafft es, ein wenig mehr Frieden mit sich zu schließen.
„Dachte ich genauer darüber nach, fiel mir allerdings auf, dass ich auch bei Fremden oder sogar bei Freunden immer auf dem Sprung war und beim geringsten Anlass losrannte und apportierte, um meine imaginären Schulden zu begleichen oder zu verhindern, dass welche entstanden.“
Kumpfmüllers Roman bleibt für mich eine schwierige Nummer, er zieht mich mit und lässt sich angenehm lesen, aber er begeistert mich nicht. Ich folge Georg, ich verstehe ihn mal mehr, sehr viel öfter eher weniger, aber es bleibt eine große Distanz zwischen uns bestehen.