Nun ist sie schon wieder seit einigen Tagen vorbei, die future!publish in Berlin. Ich hatte zwei ausgesprochen spannende Tage dort und bedanke mich nochmals herzlich beim Organisationsteam für die Möglichkeit, als Kongressbloggerin dabei zu sein.
Wieder einmal stelle ich fest, dass auf einem solchen Kongress die Zeit zwischen den Vorträgen mindestens genauso wichtig ist, wie die Inhalte selbst. Ob das ein Gespräch in der Essensschlange ist, was am Tisch fortgeführt wird, ein gegenseitiges Vorstellen und Vernetzen, ein Austausch nach dem Vortrag oder das Wiedersehen von guten, alten Bekannten innerhalb der Branche – es ist so leicht, miteinander ins Gespräch zu kommen und aus diesen Gesprächen ganz viel mitzunehmen. Einen Einblick zu bekommen in das Tagesgeschäft der anderen, die Stimmungen innerhalb der unterschiedlichen Szenen mitzubekommen und ganz viel Neues zu lernen.
Als Keynote-Speaker war Stephan Porombka zum Kongress gebeten worden, eine gute Wahl, wie ich fand. Sein Blick auf das Digitale Publizieren und vorallem eine seiner Schlussfolgerungen “Future Publishing meint Gestaltung von Öffentlichkeit” gefiel mir. Die Branche ist im Umbruch und wird kaum noch stillstehen sondern sich beständig weiterentwickeln und neu erfinden müssen. Wir sind bei Future!Publishing 2.0 angekommen – sind dafür verantwortlich und gestalten mit.
Eine gute Gelegenheit um meine Fähigkeiten, was Sketchnotes angeht, weiter auszubauen. Einige Vorträge hielt ich so für mich und zum Teilen auf Twitter (@pinkfisch) gleich graphisch fest – z.B. die Keynote:
Als erster Punkt auf der Tagesordnung stand dann eine Podiumsdiskussion mit Elisabeth Ruge, Dr. Valeska Henze und Yvonne de Andrés zum Thema Gleichstellung in der Buchbranche. Ein Thema, für dass ich mir ehrlich gestanden einen bis zum letzten Platz besetzten Saal gewünscht hätte.
Um nur ein Beispiel zu nennen: die Buchbranche ist zu 80% weiblich. Frauen verdienen trotzdem 28% weniger Geld. Diese Zahlen muss man einfach mal auf sich wirken lassen. (Quelle: BücherFrauen-Studie Mehrwert)
Elisabeth Ruge sagte gleich zwei Sätze, die ich sofort unterschreiben würde:
“Veränderung geht nicht nur mit gutem Willen” und “Gendergerechtigkeit statt Frauenquote”.
Was ich an der Diskussion besonders gut finde, sind die Ideen, die sich in Richtung Lösungsansätze und Handeln orientieren. Wir sind heutzutage in unserer Arbeit so flexibel wie noch nie zuvor, digitales Arbeiten macht es möglich. Diese Möglichkeiten sollten noch viel mehr genutzt werden, ebenso könnte die Idee eines Zeitkontos wieder konsequenter weitergedacht werden. Es geht ja in der heutigen Zeit schon lange nicht mehr nur um die eventuelle Familiengründung, auch die Pflege von Angehörigen ist ein wichtiges Thema. Valeska Henze sagte:
“Es braucht Sicherheiten für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn sich Lebenssituationen ändern.”
Zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringen nachweislich bessere Leistungen – es sollte also eines der Hauptanliegen der Unternehmen sein, Arbeitsplätze (im gemeinsamen Dialog) so zu schaffen, dass sie attraktiv werden. Für alle, die gerne noch mehr Infos zum Thema hätten oder sich dafür engagieren wollen, verlinke ich hier die Seite der Bücherfrauen.
Für mich ebenfalls ausgesprochen interessant waren zwei weitere Vorträge, in denen es sich beim ersten um VLB-TIX (die digitale Vorschau) drehte – eine Thematik, die mich momentan im beruflichen Alltag täglich begleitet. Generell stehe ich dem Thema aufgeschlossen gegenüber, auf lange Sicht wird sich die digitale Vorschau sicherlich etablieren, es gibt allerdings auch noch eine Menge zu tun, auf Seiten der Entwickler*innen, der Verlage und der Sortimenter*innen – wir befinden uns momentan noch in einer Art Trainingslager.
Der nächste interessante Vortrag von Erhardt F. Heinold drehte sich um das Thema “Von der Handels- zur Kundenorientierung“. Generell ein Vortrag, der sich an die Verlagsseite richtete, ein wenig durcheinandergebracht von der Buchhändlerin in der zweiten Reihe ;-) Durchaus ein provokanter Vortrag, der gerade deswegen aber auch zu einigen spannenden Diskussionen führte. Die direkte Kommunikation von Verlagen mit ihren Leserinnen und Lesern kann eine sehr große Chance bieten (und einen positiven Eindruck, eine Bindung zu den Leser*innen aufbauen), wenn sie richtig genutzt wird. Zwei Dinge gab ich in der anschließenden Runde zu bedenken: Wenn ihr als Verlag diesen Dialog wollt – a) Gebt euren Leuten die Möglichkeit, ihren Job gut zu machen, indem sie genug Zeit dafür und Einarbeitung ins Thema bekommen, damit sie das nicht halbgar machen und b) Setzt diejenigen daran, die auch wirklich Spaß dabei haben. Dann ist die direkte Ansprache eine wertvolle Möglichkeit zur Kundenbindung.
Mit der erschütternste Vortrag war sicherlich der von Storyteller und Autor Thomas Pyczak über eBook-Piraterie. Es war ein Vortrag, der einen durchaus mal scharf die Luft anhalten lies. Die Schäden, die der Buchindustrie durch diese illegalen Portale zugefügt werden, sind keine Peanuts. Aber er sprach auch alternative Modelle an, dass man, statt die Augen zu verschliessen, lieber innovativ denken sollte. Im Börsenblatt findet sich in der Sonntagsfrage eine ganz gute und etwas knappere Zusammenfassung der Vortragsinhalte – sehr lesenswert!
Was ist eigentlich Shared Reading? Dieser Vortrag eignete sich perfekt für eine Sketchnote:
Eines der erhellendsten Impulsreferate war sicherlich jenes von Manuel Herder zur Content Strategie von Herder. Zum einen ist er ein guter Storyteller mit feinem Gespür für sein Publikum, was mir als Zuhörerin dann von vornherein schon mal Freude macht. Zum anderen hat er einen hochspannenden Vortrag gehalten, wie sein Unternehmen die Herausforderung des digitalen Publizierens angenommen hat, wie er sagte – “den Paradigmenwechsel vollzogen hat“. Das war inspirierend und hielt das ein oder andere Best-Practice Beispiel bereit, aber auch schöne Sätze wie “Ein Scheißprozess ist ein Scheißprozess, auch wenn er digitalisiert wird!”. Heutige Unternehmen sollten sich bewusst sein, welche Strategie sie online und digital wählen möchten und sich trauen, diese auch durch externe Beratung oder Dienstleistungen einzukaufen. Etwas Geld in die Hand zu nehmen, um auf professioneller Arbeit aufzubauen bzw. diese zu nutzen, lohnt sich auf lange Sicht.
Der Content ist vorhanden, nun stehen wir vor der Aufgabe, ihn auf die unterschiedlichen Kanäle anzupassen, Apps, Soziale Medien, Newsletter, Homepage. Wer seine Zahlen und sein Zielpublikum kennt, kann so gezielt und schneller potentielle Kundinnen und Kunden erreichen. Insgesamt eine Dreiviertelstunde, in der man eine ganze Menge für sich mitnehmen konnte – wer die Gelegenheit hat, Manuel Herder als Sprecher zu sehen, sollte sie ergreifen.
Bei den Future!Inspirations ging es um kurze 15-Minuten-Pitches, Vorstellungen von zukunftsweisenden Unternehmen. Hier haben mich die folgenden besonders beeindruckt:
Voice Republic kannte ich bereits, weil sie die Bloggersessions der Leipziger Buchmesse im letzten Jahr übertragen haben. Sie bieten Podcasting für die Publishing-Branche an. Ich habe seit letztem Jahr ihren Newsletter abonniert und finde dort immer wieder spannende Inhalte zum Nachhören oder nutze den Livestream bei Veranstaltungen, die ich selbst nicht besuchen konnte.
Die Papego-App ist noch relativ neu, ich finde die Grundidee allerdings schon genauso genial wie einfach. Bücher, die einen Papego-Aufkleber haben, ermöglichen es der Leserin/dem Leser, immer die Wahl zu treffen. Zuhause auf dem Sofa das Papierbuch, bevor es morgens in die Bahn geht, schnell mit der Papago-App die zuletzt gelesene Seite scannen und dann auf dem Smartphone bis zu 25% des Buches bequem unterwegs lesen. Gerade beim aktuellen Trend der dicken 1000-Seiten-Wälzer durchaus eine angenehme Alternative. Bisher gibt es nur rund 60 Titel im Papego-System, ich würde mich freuen, wenn das weiter ausgebaut würde. Wer sich das ganze nochmal in bewegten Bildern erklären lassen möchte, der klicke auf das Video:
Mit log.os stellte sich eine Plattform für “ein umfassendes Leseerlebnis” vor, Volker Oppmann sprach schmunzelnd von einer Lesemaschine, die Interaktion fördern soll. Da ich den Austausch über Literatur online ja bereits sehr genieße, finde ich jegliche Projekte in dieser Richtung extrem spannend, zudem die log.os-App (momentan leider noch in der Beta-Phase!) mir ein paar Möglichkeiten bietet, die mich ansprechen: das problemlose Teilen von Zitaten in meinen Social-Media-Kanälen mit einem Klick oder auch die Möglichkeiten einer geschlossenen Gruppe zum gemeinsamen Lesen. Einige Funktionen und Ideen gibt es bereits online, mich hat aber das ganze Zusammenspiel sehr angesprochen. Ich habe mich schon angemeldet & bin gespannt, wie sich das ganze entwickelt.
Das Outlining-Tool Beemgee ist vorallem für Autorinnen und Autoren interessant. Ein auf den ersten Blick recht klar aufgebautes “Online-Tool für Plot-Outlining, Figurenentwicklung und Dramaturgie” heißt es auf ihrer Homepage. Besonders die Möglichkeit des gleichzeitigen Arbeitens am Text mit Lektor/Lektorinnen finde ich beachtenswert. Da es eine freie Version der Software gibt, werde ich sie mir bei Gelegenheit sicherlich noch einmal näher anschauen.
Mit am reizvollsten fand ich die Vorstellung von Wondermags. Hier hat jeder die Möglichkeit, sein eigenes, sorgsam kuratiertes Magazin digital zu veröffentlichen und damit Geld zu verdienen. Gerade für Bloggerinnen und Blogger bietet sich hier eine sehr einfache Möglichkeit, zusätzlichen Content in hochwertiger Form anzubieten. Auch hier ratterten in meinem Kopf schon einige Ideen. Wer neugierig geworden ist, bekommt hier Antworten auf die dringlichsten Fragen, ganz gleich, ob man nur lesen oder schreiben möchte.
Last but not least endete die Future!Publish für mich mit der Vorstellung der eBook-Anthologie “Willkommen! Blogger für Flüchtlinge“, erschienen bei Mikrotext, die komplett online entstand, als ein gemeinsames Projekt von Katharina Gerhardt, Caterina Kirsten, Ariane Novel, Nikola Richter, Frank O. Rudkoffsky und Eva Siegmund. Die Einnahmen wurden komplett an das Projekt #bloggerfürflüchtlinge gespendet. Ariane und Katharina erzählten von der Zusammenarbeit, die komplett auf digitaler Ebene stattfand, vom zeitversetzen Arbeiten, Tools, die genutzt wurden um die Arbeit am eBook voranzutreiben, über die Arbeitsweise und ihre Erfahrungen. Ganz sicher haben diese sechs hier ein bemerkenswertes Projekt geschaffen, eines, das auf gemeinsamer Vision, Respekt und Wertschätzung beruht. Werte, auf die man in der heutigen Zeit ruhig öfter zurückgreifen könnte, denn ganz egal, wie sehr sich die Art des Publizierens noch wandeln wird, es sind immer noch Menschen an den Projekten beteiligt, die am stärksten sind, wenn die gemeinsame Freude daran, etwas zu schaffen, bei allen vorhanden ist.
Inspiration pur und für mich der perfekte Abschluss zweier Kongresstage!
Die future!publish war für mich lehrreich, sie hat wieder Funken gezündet und mich inspiriert. Für mich geht es bei einer solchen Veranstaltung nicht darum, vorgefertigte Lösungen mit nach Hause zu nehmen, sondern außerhalb der Box zu denken, neue Querverbindungen zu finden und über meinen eigenen Horizont hinauszublicken. Daran, wie sehr es in mir in den Tagen nach soviel Input arbeitet, merke ich, wie wichtig es ist, aus dem Alltag auszubrechen und dem Hirn neues Futter zu geben, gerade auch zu Themen, die auf den ersten Blick nicht wie die eigenen Kernthemen erscheinen. Hier finden sich oftmals Quellen für Neues, die man vorher nicht mal erahnte.
Ebenfalls auf der future!publish war meine Buchbloggerinnen-Kollegin Mara von Buzzaldrins Bücher. Sie hat bereits ausführlich auf ihrem Blog über den Kongress berichtet.
Und – sehen wir uns nächstes Jahr? Die nächste future!publish findet am 25/26. Januar 2018 in Berlin statt.
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