28 Tage – David Safier

Safier stellt in seinem Roman, in dem er gewohnte Wege verlässt, eine Frage in den Vordergrund: Was für ein Mensch will ich sein? Es ist ihm anzurechnen, dass er aus persönlichen Gründen über eines der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte erzählen will. Ich kann mir vorstellen, dass er mit seinem Stil und seiner Perspektive vorallem Jugendliche ansprechen wird, denn eine gewisse Spannung und vorallem die Entscheidungen seiner jungen Protagonisten stehen im Vordergrund. Für mich ist aber genau da auch der Haken – ich find es schwierig, über eine wirklich grausame, menschenverachtende Zeit zu lesen und gleichzeitig das Gefühl zu haben, dass der Leser möglichst durch die erzeugte Spannung am Ball bleiben soll.

Untergetaucht: Eine junge Frau überlebt in Berlin 1940-1945 – Marie Jalowicz-Simon

Ein Zeugnis einer schwierigen, tödlichen und belastenden Zeit. Einer Zeit in der viele sich selbst die nächsten waren, in der gefälscht, betrogen, gelogen, gefleht, gebettelt, geprügelt, verletzt und getötet wurde. Hier konnte jeder Tag Tod oder Leben bringen. Eine Chronik der Flucht, des Untertauchens und des Versteckens.

Noch ein Glück – Trude Simonsohn & Elisabeth Abendroth

Es gibt Bücher, bei denen ist man zum Schluss hin einfach froh, dass sie einen gefunden haben. Dieses habe ich von einer sehr lieben Freundin geschenkt bekommen, deren literarische Meinung ich hoch schätze. Und auch hier hat sie wieder einen Treffer gelandet – denn das Buch ist, abgesehen davon, dass Elisabeth Abendroth es in eine sehr ansprechende Form gegossen hat, ein wichtiges, verdammt wichtiges Buch. Ich ziehe meinen Hut vor einer Frau, die trotz des Schreckens und den Schmerzen, die ihre Erinnerungen bei jedem Erzählen verursachen müssen, so mutig ist zu sagen: Das muss erzählt werden. Das darf nicht vergessen werden! Wenn ich so etwas lese, dann verschieben sich Prioritäten, dann kann ich mir nur wünschen, dass ich auch so aufrecht, kämpferisch und stark gewesen wäre. Manchmal sind die Bücher, die einem im Gedächtnis bleiben nur ganz dünn, ihre Reichweite aber umso größer, ihr Umfang in meinem Herzen und meinem Kopf unendlich weit. Danke für ihren Mut und ihre Taten, Frau Simonsohn!

Tonspuren – Elliot Perlman

Es ist sehr gewagt, bereits im April ein Buch definitiv zu einem der Besten des Jahres zu küren. Allerdings weiß ich ehrlich gestanden nicht, was da noch kommen soll, was Perlman diesen Rang ablaufen sollte. Ich bin so tief beeindruckt, so dermaßen bewegt von diesem Buch. Es ist so intensiv, dass ich beim Lesen immer wieder Pausen eingelegt habe – um die Wörter wirken zu lassen, Sätze leise vor mich hinzusprechen, mich ergreifen zu lassen, die Tränen liefen. Ich habe in dieser Geschichte gelebt und konnte, trotz fast körperlicher Anstrengung beim Lesen, das Buch kaum weglegen. Was ist dieser Autor für ein Sprachvirtuose! Was für eine Geschichte, welch Kunstwerk hält man mit diesem Buch in den Händen. Es ist ein absolutes Muss für jeden, der sich auf eine einmalige Begegnung mit außergewöhnlichen Menschen einlassen will, der erleben möchte,  wie unfassbare Schrecken eine Form bekommen und wie Erinnerungen so lebendig werden, dass man das Gefühl hat, sie greifen zu können. Wenn ich davon spreche und schwärme, bekomme ich eine Gänsehaut. Dieses Buch hat mich schlicht überwältigt!

Das Spinoza-Problem – Irvin D. Yalom

Dieses Buch hat mich ziemlich beeindruckt und mich auch ganz schön beschäftigt und auf mich selbst zurückgeworfen. Yalom setzt sich in Romanform mit zwei äusserst gegensätzlichen Menschen auseinander: zum einen dem Philosophen Spinoza, zum anderen dem Nazi-Ideologen Alfred Rosenberg, deren Lebensläufe er geschickt miteinander verknüpft. Was mich an dem Buch so unheimlich fasziniert hat, waren die Gedankenläufe, denen er folgt – was bei Rosenberg erschreckend, abstoßend und Kopfschütteln auslösend wirkte. Bei Spinoza hingegen, der sich ja auch seiner Religion, dem Judentum, nach und nach löst, seinen Glauben und seine Überzeugungen nicht mehr miteinander vereinbaren kann und auf der Suche nach sich selbst auf große Schwierigkeiten stößt – das liest sich fesselnd und nachfragend, das löst in mir Gedanken aus, Ideen, Philosophien. Was für eine Kunst, einen solchen Roman zu schreiben, große Klasse!

Der Passfälscher – Cioma Schönhaus

Dr Untertitel lautet: Die unglaubliche Geschichte eines jungen Grafikers, der im Untergrund gegen die Nazis kämpfte. Viel passender kann man es kaum beschreiben. Denn die Geschichte ist wirklich unglaublich, die Situation mehr als einmal brenzlig, und lange nicht alle Menschen um den jüdischen Grafiker herum schaffen es wie er, unerkannt zu bleiben. Cioma Schönhaus hatte Schneid (und manchmal ein Gottvertrauen, welches fast schon Leichtsinn grenzte) und hat vielen Menschen durch sein Passfälschen das Leben gerettet. Das Buch lebt durch seine Geschichte, es ist sprachlich und erzähltechnisch nicht wahnsinnig ausgefeilt – allerdings gibt es Themen, bei denen so etwas in den Hintergrund tritt – und auch treten darf. Hier zählt die Stimme eines Überlebenden mehr.

Einmal – Morris Gleitzman

Manchmal macht man das ja so, im Urlaub…in anderen Buchläden stöbern. Da befand ich mich also in einem kleinen, gut sortierten Kinder- und Jugendbuchladen und zog dieses Buch heraus, weil mich das Cover ansprach. Las die erste Seite und fand diese erste Szene schon so eindringlich, das ich dieses Buch dann, wieder zuhause, direkt bestellt habe.

Ich glaube das es sehr schwer ist, über die Erlebnisse von Kindern zur Zeit des zweiten Weltkriegs zu schreiben, soviele Facetten die dabei bedacht werden wollen – und soviele schreckliche Dinge die passiert sind – und das für Kinder? Hier kann ich bei diesem Buch nur uneingeschränkt sagen: Ja! Lest dieses Buch mit euren Kindern und redet darüber! Felix ist 9 Jahre alt und altert innerhalb des Buches erschreckend schnell – denn er muss erwachsen werden. Ausnahmsweise möchte ich hier mal eine Paralelle ziehen zu einem anderen Buch das eine ähnliche Thematik und einen ähnlich alten Protagonisten hat, John Boyne mit “Der Junge im gestreiften Pyjama” – dieses Buch habe ich damals ziemlich kritisch beurteilt, es erschien mir sehr naiv und unglaubwürdig. Dagegen ist Gleitzman hier etwas gelungen, was ich als deutlich realistischer empfand: ein zunächst noch naiver, vertrauender Felix, der fest an ein Wiedersehen mit seinen Eltern, jüdische Buchhändler aus Polen die ihn vor 3 Jahren in einem Waisenhaus unterbrachten um zu “reisen”, glaubt. Nach und nach merkt und lernt Felix allerdings, was es 1942 bedeutet, Jude zu sein, auf der Flucht zu sein und sich zu verstecken.Und er steht für sich ein und die Menschen die ihm helfen und beistehen. All das hält er in seinem Tagebuch fest und erzählt Geschichten und vorallem diese eine, seine Geschichte, die ihm hilft zu überleben.

Mir liefen mehrfach die Tränen. Mich hat dieses Buch so berührt und es geht mir auch noch nach Wochen so, das es mich begleitet. Für mich ist diese Reihe (dazu mehr in den weiteren Leseeindrücken) wirklich einfach nur beeindruckend. Gegen das Vergessen. Für Menschlichkeit.