Strand am Nordpol – Arnaud Dudek

Kennt ihr das, wenn ihr ein Buch nach der Lektüre zuklappt und denkt: also hier hat einfach alles genau gepasst? Eine ungewöhnliche Freundschaft und eine alte Liebesgeschichte mit abruptem Ende. Ein federleichter, französischer Stil, der hier und da in einen charmanten Plauderton verfällt und doch nie ins Kitschige abgleitet. Es gibt ein paar Ausflüge in die Schwermütigkeit und doch ist es nie bitter. So ein Buch ist Strand am Nordpol – ein wunderbares Geschenk für alle, die gerne Geschichten lesen, wie sie das Leben schreibt.

Je schneller ich gehe, desto kleiner bin ich – Kjersti A. Skomsvold

Was wird aus einem selbst, wenn der geliebte Mann stirbt? Diese Erfahrung muss Mathea Martinsen machen, die hochbetagt nun plötzlich wieder auf sich allein gestellt ist. Ihre Versuche, sich wieder ein Stück der Welt zurückzuerobern, wirken verletzlich und manchmal anrührend, ein wenig spröde, fast eingerostet erscheinen ihre Bemühungen – kein Wunder, war sie doch über Jahrzehnte einzig mit ihrem Liebsten in engerem Kontakt. Dieser kurze Roman, fast mag ich es eine Novelle nennen, hält zudem ein paar feinfühlige Sätze parat, die im Ohr bleiben.

Wir werden zusammen alt – Camille de Peretti

Ein Tag in einem Altersheim – viele Bewohner, viele Zimmer, viele Lebensgeschichten. Ein bunter Querschnitt durch das Treiben und die Gefühlswelt aller Beteiligten. Es hat mich ganz gut unterhalten, aber irgendetwas stimmte nicht, ich konnte den Finger nicht darauf legen. Am Schluss wurde das Rätsel enthüllt. Die Autorin hat sich einer Methode bedient, in der die Autoren bestimmte Regeln (zum Teil folgt es mathematischen Formeln) zum Schreiben einhalten müssen. So hat sie den Erzählstrang zum Teil errechnet, was zuerst passiert, welches Zimmer zuerst erzählt wird, teilweise gab es auch Vorgaben von bestimmten Details die einfließen müssen.

Unter diesem Aspekt fand ich das Buch wirklich gut gelungen, es ist sicher schwierig diese Bedingungen einzuhalten. Aber es wurde mir auch klarer, warum mich die Geschichte nicht packte: es war ein Ablauf, ein Herunterspulen und es fehlte das große „Herzstück“ welches einen Autoren antreibt, eine Geschichte zu erzählen. Unter literarischen Gesichtspunkten sicher einen Blick wert, viel Eindruck hat die Geschichte oder eher die Geschichten an sich nicht bei mir hinterlassen.

Acht Minuten – Péter Farkas

Sie sind schon lange ein Paar. Der Mann und die Frau. Doch eines Tages fangen die Dinge an sich zu verändern. Wer sind diese Menschen in ihrer Wohnung, die dem Mann zwar vage bekannt vorkommen, aber doch eher stören? Und warum wollen ihm alle erzählen was das Beste ist, für ihn und die Frau? Sie kommen doch gut zurecht und vor die Tür gehen…das müssen sie doch schon lange nicht mehr…

Wir alle kennen den Blick auf Demenz von aussen. Farkas wählt einen ganz anderen Ansatz – er beschreibt die Krankheit aus der Sicht des Betroffenen – und dieser sieht sich auch eher als Beobachter der ebenfalls erkrankten Frau. Die kleinen Rituale dieses Paares, der Kampf um Würde, um Selbstbestimmung – fein gezeichnet, sehr intensiv wird hier ein ganz neues Bild entworfen und die Frage, was das “Beste” ist wird nochmal auf andere Art und Weise aufgerollt!

Ein kleines, wichtiges Buch für alle die sich mit dem Thema auseinandersetzen.

Der alte König im Exil – Arno Geiger

Ein ganz berührendes Buch über einen Vater und seinen Sohn, den Schriftsteller Arno Geiger – der Vater erkrankt an Alzheimer, der Sohn hört dem Vater zu – und er schreibt. Ein schmaler Band über eine Krankheit die sovieles vergessen macht und längst vergessenes wieder zu Tage fördert. Ein Buch mit Sätzen die man mehrfach liest weil sie so schön und ungewöhnlich sind und doch im Endeffekt: eine Familiengeschichte und ein Versuch sich zu fragen: wie gehen wir mit der Krankheit des Vaters um? Lassen wir los, halten wir fest, lernen wir, die Krankheit einfach anzunehmen als das was sie ist – eine Krankheit.

Das Buch bewegt und hallt noch lange nach.

Zwei alte Frauen – Velma Wallis

Wieder ein Buch, das ich zusammen mit dem BriCom-Lesekreis gelesen habe. Mit einem Klick auf den Link könnt ihr die ganze Diskussion verfolgen.

Mir hat das Buch auch sehr gefallen. Mein Chef hatte mir das zu Anfangszeiten meiner Buchhändlerlehre ans Herz gelegt und meinte, das wäre wirklich eine Art “Klassiker“. Und wo er recht hat..;-)

Ich hatte es an einem Abend/Nacht durch. Das Buch ist so angenehm geschrieben, das man sich nicht langweilt, das man in der Geschichte steckt. Obwohl nicht viele Worte um die Gefühle gemacht werden (also schon beschrieben, aber sehr klar und ohne Ausschweifungen) finde ich das man sich sehr klar reinfühlen kann, weil auch Raum bleibt, für die eigene Fantasie. Ich fühlte mich teilweise so, als würde ich danebensitzen.

Enorm stark fand ich, das die beiden Frauen auch wahrnehmen, das ihre Haltung zu der Zeit als sie zurückgelassen wurden, falsch war. Grade in etwas höherem Alter erfordert es Mut und Kraft, soetwas zuzugeben und auch wirklich etwas zu ändern. Aber das tun die beiden – fand ich klasse!

Was ich deshalb auch aus diesem Buch mitnehme ist: Bevor ich mich ergebe und vielleicht einer Meinung von anderen über mich ergebe, will ich eben doch “handelnd sterben“. Das hat sich tief eingeprägt.

Eine der Teilnehmerinnen unseres Lesekreises schrieb, das sie dieses Buch noch oft verschenken würde. Ich kann mich nur anschliessen – ein wunderbares, kleines Geschenkbuch. Die schöne Hardcoverausgabe von Piper sieht auch toll aus!