Oft kommt alles zusammen. Man hat Ideen im Kopf, man hat ein Ziel für sich festgelegt und dann schießt einem das Leben quer. Sobald Du denkst, nun ist es da, das Zeitfenster in dem Du kreativ deine Projekte verfolgen kannst, dreht das Leben Dir eine lange Nase.
Dieses Jahr ist für mich eine einzige lange Übungsstrecke. Hochmotiviert habe ich es begonnen, während der ersten Monate zwei wichtige Dinge angestoßen und dann schoss mir das Leben quer und beschäftigte mich für die nächsten drei Monate mehr als reichlich mit Organisieren, Verarbeiten und Neubeginn. Nun sollte endlich die Ruhe kommen, ich wollte zurück ans kreative Reißbrett. Das hatte ich mir so vorgestellt und wurde eines Besseren belehrt. Eine weitere Situation, die ich so nicht voraussehen konnte, trat ein und ließ mir, kombiniert mit dem üblichen Alltag wenig Auswahl, was meine Zeitgestaltung anging.
Einmal mehr habe ich gelernt: Es wird nie genug Zeit sein! Es wird immer etwas geben, was mich vom kreativ sein abhält. Es wird ein Amt auszufüllen sein, meine Familie wird mich brauchen, die Arbeit wird mich mehr fordern als gedacht. Es werden ungeplante Termine anfallen, auch in 50 Prozent der Fälle “Nein” zu sagen wird nicht ausreichen.
Ein Dilemma, was wohl jeder kennt, der versucht, Arbeit, Privates und Kreatives in seinem Leben zu vereinen. Die Gedankenspirale dazu könnte ich endlos aufzählen. Vom Gedanken, ob man allen (und sich selbst!) gerecht wird. Vom Selbstzweifel. Vom Gefühl, nirgendwo genug zu tun. Von dem Wunsch, völlig allein zu sein um endlich anfangen zu können. Und vom Nicht-Können, wenn es dann soweit wäre, dass man loslegen könnte. Was ich in solchen Zeiten tue?
Es annehmen. Und dann ein Buch lesen.
Und zwar eines, von dem ich mir sicher sein kann, dass es mich inspiriert. Das mich dazu bringt, mit der wenigen Zeit die ich habe, auszukommen. Aber bevor ich das Buch lese, muss ich meine Situation annehmen. Mein Leben ist, wie es ist, das habe ich von einer klugen Freundin gelernt. Vieles darin kann (und vor allem: will!) ich nicht ändern. Weil es mich ausmacht. Weil ich meine Familie und meine Arbeit liebe. Ich brauche keine Zeitmanagement-Tipps und keine gutgemeinten Vorwürfe, ich würde ja immer zuviel wollen. Ich finde, dass der Wunsch, alles zu leben (wenn vielleicht auch immer nur in Teilen und Aspekten) und Dinge mitzugestalten, die mir wichtig sind, exakt das ist, was mich durch harte Zeiten trägt.
In meinen Jahren im Netz und auch im realen Leben habe ich ganz großartige Menschen kennengelernt. Sie haben Bücher veröffentlicht, machen Fotos die mich so demütig werden lassen ob ihres Könnens, sie spielen Instrumente, sie erdenken mitreißende Projekte oder bloggen so authentisch und motivierend, dass es mich jedes Mal wieder umhaut. An den allermeisten Tagen denke ich schlicht: Wow! Was für ein Können, was für eine Kreativität liegt hier in der Luft, es knistert vor Inspiration, Motivation und Freude an diesen Dingen!
Und es gibt die anderen Tage. Die, an denen ich mich frage, wann alle diese Dinge passieren. Wie jemand so unglaublich produktiv und geistreich sein kann, trotz Vollzeitjob, mehreren Kindern oder Whatever. Wo ich an meine eigenen Grenzen stoße, wo mich die Limitation meiner Zeit und Ressourcen fast körperlich angreift. Die, wo ich mich frage, warum kann ich das so nicht leisten? Obwohl ich genau weiß, dass Vergleiche der sichere Weg ins Verderben sind, kann ich nicht anders. Warum liegen meine Projekte brach, warum komme ich bei diesem oder jenem Vorhaben nicht vorwärts?
Ich muss für mich an diesen Ort gehen, mitten hinein in diese dunklen Stunden. Und wenn das bedeutet, dass ich stundenlang schlecht gelaunt und maulfaul mit Menschen, die das aushalten, durch einen Baumarkt stiefeln muss. Denn manchmal ist diese Zeit, in der wir von äußeren Umständen blockiert werden, in der wir neidisch auf die Projekte anderer schielen, in der wir immer unzufriedener werden, genau das was wir brauchen, um weiterzumachen. Wir tigern in unserem engen Zeitkorsett hin und her. Wir bekommen es nicht hin, uns in unserer eigentlichen Profession hinzusetzen um etwas zu erschaffen. Wir leben unsere Kreativität an den kleinen Dingen aus, weil sie trotz oder gerade wegen unseres Frusts irgendwohin muss. Wir gestalten den Balkon um. Wir sammeln die ersten Kastanien. Wir erfinden in der Küche neue Kreationen.
Und während wir all das tun, merken wir, wie das, was wir am meisten tun wollen, in uns Formen annimmt. Wie es uns in unser Atelier, an den Schreibtisch zieht, wie sich alles in unserem Kopf formt und zu Papier gebracht werden will. Und dann bricht es aus uns heraus, ganz egal, ob wir die Zeit haben oder die Möglichkeiten. Dieser Moment, wo ich merke, dass die Sätze und Ideen sich wieder hervortrauen – der ist großartig!
Eigentlich ist es nur logisch, dass nach dem Sortieren im Inneren jetzt ein Anstoß von außen folgt, bei mir meist in Form eines Buches. Auf “Big Magic” habe ich mich seit Monaten gefreut, denn Elizabeth Gilbert ist eine Au
torin, die ich seit langem auf Facebook verfolge. Ihre positive und sprühende Art, sich Kreativität und dem Leben zu öffnen, hat mich fasziniert. Und oft ist es genau das, was wir alle brauchen, wenn wir das Gefühl haben festzustecken. Jemand, der uns nach einer Phase des Nicht-Vorwärts-Kommens mitreißt. Der uns das Mantra liefert, dass wir brauchen. Den Soundtrack für unser Schaffen. Der unsere Ängste und Unzulänglichkeiten kennt. Lasst euch von ihr inspirieren (TED TALK) oder hört ihr zu, bei ihrem wunderbaren Podcast Magic Lessons, begleitend zu Big Magic. Und last but not least: Lest das Buch, ganz egal, in welchem Feld ihr kreativ seid. Es vermag ein paar Türen zu öffnen, von denen ihr nicht wusstet, dass sie geschlossen waren…
Ps: Barbara, Chris, Elizabeth, Heidi, Maryanto, Stephan, Svenja, Torsten – dieser Text ist auch für Euch!