Tove Jansson – Tuula Karjalainen

Künstlerin. Autorin. Politische Karikaturistin. Aber auch Tochter, Schwester, Freundin und Geliebte. 

Die meisten Menschen kennen den Namen von Tove Jansson im Zusammenhang mit den Büchern und Comics der Mumins, mit denen sie weltberühmt wurde. Ich liebe die Mumins persönlich sehr, doch würde es viel zu kurz greifen, diese außergewöhnliche Künstlerin nur auf diese Geschichten zu reduzieren. In dieser, mit vielen Bildern angereicherten Biografie von Tuula Karjalainen (übersetzt aus dem Finnischen von Anke Michler-Janhunen und Regine Pirschel) erfahren wir von einem bewegten Leben. Erleben sie als innig mit der Familie verbundenen Menschen, vor allem mit ihrer Mutter Signe, genannt Ham, die ihr von Kindesbeinen an das Zeichnen beibrachte. Wir lesen vom schwierigen und doch intensiven Verhältnis zu ihrem Künstler-Vater Viktor, genannt Faffan. Beide Elternteile prägen Toves Leben sehr.

Zerrissen zwischen Kunst und Schrifstellerei

Wir verfolgen ihren Weg, in dem sie immer wieder zerrissen ist zwischen der Kunst und der Schriftstellerei – bevor die Mumins international bekannt werden, plagen sie oft große Geldsorgen. Als politische Karikaturistin beweist sie während der Kriegsjahre großen Mut und ihre pazifistische Haltung zeigt sich deutlich in ihren Zeichnungen. Vieles erfahren wir aus ihren ausführlichen Briefwechseln mit engen Freundinnen und sie führte einige Beziehungen, sowohl mit Männern als auch mit Frauen, bis sie ihre Lebensgefährtin Tuulikki Pietilä kennenlernt, mit der sie viele gemeinsame Jahre  bis zu ihrem Tod 2001 verbringt.

Die Künstlerin Tove Jansson, ihre Bilder und ihr Leben beeindrucken und inspirieren mich zutiefst, was für eine Frau! Gerade die Bilder lassen mich dieses Buch immer wieder in die Hand nehmen zum Blättern und Betrachten. Wunderbar, dass man ihr mit dieser ausgesprochen lesenswerten Biografie endlich das Denkmal gesetzt hat, welches sie verdient. 

Zur Blogpost zur Themenwoche „Tove Jansson entdecken mit Pinkfisch“ bitte hier entlang!

Tove Jansson entdecken mit Pinkfisch

Seit vielen Jahren fasziniert mich Tove Jansson. Die Künstlerin, Autorin und Zeichnerin die so vielseitig in ihrem Schaffen war, hat es mit ihren Büchern, ihren Comics und ihrer Kunst immer wieder aufs Neue geschafft, meine Begeisterung zu entfachen.

„Arbeite und liebe“ (Lebensmotto von Tove Jansson)

Aus diesem Grund wollte ich ihr gerne einen großen Blogpost widmen, gepaart mit eine Reihe an Postings auf Instagram und Twitter in der Woche vom 21. März bis zum 28. März. In diesen Tagen werde ich mich ihrem Werk widmen und es gemeinsam mit meinen Leser*innen (neu)-entdecken. Unter dem Hashtag #ToveJanssonentdecken kann jede*r auf Instagram und Twitter mitmachen und ebenfalls Lieblingsbücher, Gedanken und Hintergrundwissen posten.

Dieser Blogpost wird täglich ergänzt und so wird am Ende der Woche eine Hommage an Tove Jansson entstanden sein.

Ich freue mich wahnsinnig darauf, diese Woche einer beeindruckenden und zutiefst inspirierenden Frau widmen zu können und freue mich über alle, die mitmachen, kommentieren und weiterempfehlen!

Erste Station im Blog: die Biografie von Tuula Karjalainen 

Zweite Station auf Instagram: die Mumin-Bücher

Die Welt der Mumins ist eine ganz eigene und wer in den Büchern von Tove Jansson einmal das Mumintal betreten hat, wird sein Leben lang wieder dorthin zurückkehren wollen. Was macht diese Geschichten so besonders? Zum einen, dass sie mit uns mitwachsen. Als Kind finden wir die kuscheligen, weißen Trolle niedlich und erleben mit ihnen Alltag und Abenteuer. Als Erwachsene merken wir beim Wiederlesen, wieviel Tiefe und Hintergründiges in den Geschichten steckt. Tove Jansson hat in den Bänden der Muminreihe immer auch ihr eigenes Leben einfließen lassen, mal mehr, mal weniger offensichtlich.

Aber vor allem hat sie zeitlose Figuren erschaffen, mit denen wir uns identifizieren können. Sie hat mit dem Mumintal und dem Haus der Mumins einen Rückzugsort geschaffen, einen, in dem die Familie groß geschrieben wird und jede*r so sein darf, wie man eben ist und mit allen Eigenheiten angenommen wird. Denn nicht nur die Muminfamilie tummelt sich auf den Seiten, noch viele weitere Wesen bevölkern das Tal und sorgen dafür, dass es nie langweilig wird. Gemeinsam wird gelebt und erlebt, werden schwierige Situationen zusammen gemeistert, wird die ein oder andere Lektion gelernt oder auch philosophisch betrachtet.

Manchen Ratschlag, der im Verlauf der Zeit fällt, kann man sich getrost fürs Leben merken und fährt damit sehr gut. Die Mischung aus Fantasie, poetischen Beschreibungen und liebevollem Pragmatismus ist im Stande, mich jedesmal wieder aufs neue zu begeistern. Für die Mumins ist man einfach nie zu alt!

Noch mehr lesen:

Zur Rezension von „Muminvaters wildbewegte Jugend“

Zur Rezension von „Herbst im Mumintal“

Dritte Station auf Instagram: Das Sommerbuch und das Winterbuch

Obwohl diese beiden Bände dem äußeren Anschein nach zusammengehören könnten, unterscheiden sie sich doch im inhaltlichen Aufbau. Das Winterbuch ist eine wunderbare Sammlung aus Kurzgeschichten und Auszügen aus längeren Erzählungen um Tove Jansson kennenzulernen oder sie wiederzutreffen. Ihre Texte sind von einer unaufgeregten Ruhe und oftmals hört man geradezu die Stille zwischen den einzelnen Geschichten. Von Natur und Naturgewalten, von den Menschen und ihren Eigenheiten schreibt Tove Jansson oft melancholisch, aber auch zärtlich und mit klugem Blick. Eine Geschichtensammlung, die man sich jedes Jahr im Winter wieder vornehmen möchte.

Das Sommerbuch hingegen spielt sich in einzelnen Episoden ab, der Schauplatz bleibt jedoch immer der gleiche: eine kleine finnische Insel, auf der Sophia und ihre Großmutter gemeinsam den Sommer verbringen und wo vor allem der Austausch zwischen der Älteren und dem jungen Mädchen im Vordergrund steht. Sie streifen durch die Natur, mit einem Blick für die kleinen Wunder, gleichzeitig ist aber auch das Sommerbuch von sanfter Melancholie durchzogen und erfrischend unkitschig. Egal ob ihr eher den Sommer oder den Winter liebt – beide Bände sind ein sehr guter Einstieg in das belletristische Werk von Tove Jansson.

Vierte Station auf Instagram: Die Comics bei Reprodukt

Natürlich dürfen bei #ToveJanssonentdecken die Comicstrips über die Mumins nicht fehlen. In Deutschland werden die Bände in einer sehr wertigen Hardcover-Ausstattung bei Reprodukt herausgegeben. Tove Jansson begann 1947 zunächst für die finnlandschwedische Zeitung Ny Tid die ersten Mumin Comics zu zeichnen. Die Serie wurde aber nach einem halben Jahr eingestellt. Den großen Durchbruch erzielten ihre Comicstrips dann in der britischen Zeitung „Evening News“ – dort und in anderen Zeitungen erreichte sie zu Spitzenzeiten über 20 Millionen Leser*innen täglich in über 40 Ländern.

Sie dachte, dass das Zeichnen der Comicstrips ihr endlich durch ein regelmäßiges Einkommen die Geldsorgen und den Druck nehmen würde. Mit den Geldsorgen war es dann tatsächlich erst einmal vorbei, allerdings lastete der Stress, stets in einem engen Zeitfenster mit den neuen Comics aufzuwarten und immer wieder neue Ideen zu entwickeln, schwer auf Tove. 1959 kündigt sie – sie ist erschöpft.

Die Mumins, deren Welt, das Mumintal, sie einst als Zuflucht für sich erfunden hatte, sind für sie zu einer Belastung geworden. Erst einige Jahre später kann sie sich, auch durch ihre Lebensgefährtin Tuulikki Pietilä unterstützt, wieder mehr auf die Mumins einlassen. Nach ihrer Kündigung übernahm ihr Bruder Lars, der bereits zuvor enger Vertrauter von Tove war und mit dem sie Ideen oft vorab durchsprach, die Produktion der Comics und zeichnete weitere 15 Jahre lang die Comics. Die Comicstrips sind natürlich an die Buchserie angelehnt, haben aber ganz klar auch ein Eigenleben.

Besonders herausragend war, dass Tove sowohl für die Zeichnungen als auch die Texte zuständig war – keine Selbstverständlichkeit! Auch hier zeigte sich wieder ihre vielseitige Begabung. Ich arbeite mich nach und nach durch die Comics und freue mich jedesmal wieder, allen Bewohner*innen des Mumintals zu begegnen.

Fünfte Station auf Instagram: Die Tochter des Bildhauers, Stadt der Sonne und Fair Play

Tove Jansson schrieb in ihren späteren Lebensjahren rund ein Dutzend Bücher für Erwachsene, Romane und Erzählungen. Exemplarisch möchte ich heute drei davon näher vorstellen. „Die Tochter des Bildhauers“ ist ein schmaler, autobiographischer Erzählband mit viel Atmosphäre – sehr empfehlenswert um die junge Tove und einen Teil ihrer Kindheit kennenzulernen. „Fair Play“ ist sicherlich auch autobiographisch geprägt, allerdings klar als Fiktion angelegt. Eine starke Geschichte, zwei unheimlich interessante Frauen und Künstlerinnen und ihre gemeinsame Liebesgeschichte. Unbedingt lesenswert und (bis jetzt) mein persönlicher Liebling.

Stadt der Sonne“ fällt im Gegensatz zu den beiden anderen hier besprochenen Büchern schon rein vom Setting her aus dem Rahmen – spielt es doch in St. Petersburg, Florida. Dort haben sich in einem Gästehaus über Jahre einige eigenwillige Charaktere versammelt, alle mit ihrer ganz persönlichen Art, das eigene Altern anzunehmen. Stellenweise war es mir fast ein wenig zu ruhig – es ist ein eher handlungsarmer Roman, dessen Stärke in den fein beobachteten Beschreibungen seiner Protagonistinnen und Protagonisten liegt. Dennoch habe ich ihn nicht ungern gelesen, denn er ist nur ein weiteres Beispiel dafür, wie wandelbar Tove Jansson auch in ihrem literarischen Schaffen war. Das erzählende Werk von Jansson ist in Deutschland beim Verlag Urachhaus erschienen und wurde übersetzt von Brigitte Kicherer.

Sechste Station: Das war #ToveJanssonentdecken !

Zum Abschluss der #ToveJanssonentdecken Woche haben Mumin und ich nochmal gemeinsam Kaffee getrunken. Wir hatten ordentlich Freude an dieser Woche und hoffen, ihr auch! Wenn euch die Woche gefallen hat, könnt ihr auch gerne die Möglichkeit nutzen, uns einen Kaffee via Ko-Fi zu schicken ? . Mumins essen und trinken ja fast so gerne wie Hobbits ?. Viel Spaß allen weiterhin beim Entdecken der Welt und der Werke von Tove Jansson.

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid – Alena Schröder

Wir treffen in diesem Romandebüt von Alena Schröder auf vier Frauen, deren Geschichte über vier Generationen hinweg erzählt wird. Von den goldenen Zwanzigern bis in die Gegenwart begleiten wir sie, die Mütter und ihre Töchter. Ein verschwundenes Gemälde, beschrieben mit den Worten „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“ bietet den Rahmen, in dem sich die Geschichte entfaltet.

Ich bin durch diesen Roman nur so durchgerauscht, denn seine Figuren haben mich nicht losgelassen. Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid – Alena Schröder weiterlesen

Kintsugi – Miku Sophie Kühmel

Mitte Juni:

Ich schlage das frisch eingetroffene Leseexemplar von Kintsugi auf. Nach wenigen Minuten lege ich es beiseite und schreibe meiner Freundin eine Nachricht.

Also, wenn das Buch so gut ist wie die ersten zehn Seiten, wird das mein bisheriger Herbstliebling!

Dann lese ich weiter. Lerne Max und Reik weiter kennen, die seit zwanzig Jahren ein Paar sind. Eines, von dem man sagt, dass es sich perfekt ergänzt, der Archäologe und der Künstler, eine besondere Verbindung. Die beiden wollen dieses Jubiläum feiern, im engsten Kreis in ihrem Wochenendhaus. Zu Gast: ihr ältester Freund Tonio und dessen Tochter Pega, die Max und Reik als ihre erweiterte Familie versteht, schließlich waren sie von Anfang an Teil ihres Lebens. Kintsugi – Miku Sophie Kühmel weiterlesen

Max, Mischa und die Tet-Offensive – Johan Harstad

Das erste, was ich über Max, Mischa & die Tet-Offensive las, war dieses Zitat von Autor Johan Harstad. Danach wusste ich: dieses Buch will ich lesen. Unbedingt.

«Einer der Gründe, warum das Buch so lang ist – abgesehen davon, dass es so sein muss, damit die Charaktere erzählen können, was sie erzählen müssen –, ist, dass es ein Ort für sich sein sollte, etwas, das dich anzieht, dich umgibt, aber auf gute Art und Weise. Ich wollte den Roman zu einem Ort machen, an dem man lange zu Hause sein kann. Eine Heimat für die Charaktere und vielleicht auch den Leser schaffen. Das Buch flüstert dem Leser sachte zu: Bleib hier drin. Hier bist du sicher.»

Und was hat er für einen Ort geschaffen! Ich habe wahrhaftig in diesem Buch gelebt, habe es in seinem eigenen Tempo kommen und gehen lassen. Die 1248 Seiten erschienen zu Beginn noch sehr mächtig, man fängt ein solches Buch nicht ohne einen gewissen Respekt an. Und doch wusste ich schon nach kurzer Zeit – das hier, mit diesem Buch und mir, das wird etwas Großes. Und je näher ich dem Ende kam, desto zögerlicher wurde ich, las langsamer und legte es schließlich 70 Seiten vor Schluss noch eine Nacht zur Seite, obwohl ich wissen wollte, wie es endet. Und dennoch einen Aufschub brauchte, um noch nicht am Ende angekommen zu sein.

Solch ein Buch, solch einen Ort hat Harstad geschaffen.

Noch während ich las, versuchte ich im Kopf, erste Sätze zu formen, um dieses Buch zu beschreiben. Um immer wieder festzustellen, dass jede Beschreibung zu kurz, zu ungenügend sein würde, meinen Ansprüchen nicht gerecht. Dass ich nicht darüber schreiben wollte, wem wir in diesem Buch begegnen, welche Stilmittel Harstad verwendet und wie das Buch literarisch einzuordnen ist.

Stattdessen möchte ich am liebsten jedem, der dieses Buch nachdenklich in der Hand abwiegt, in die Augen sehen und sagen: “Ja, dieses Buch wird dich fordern. Es wird mit Dir tanzen. Es handelt davon, sich einsam zu fühlen und das Gefühl von Heimat nicht in sich spüren zu können. Es handelt vom Krieg, von der Liebe, von Kunst und Theater und Harstad lässt seinen Figuren alle Zeit der Welt, davon zu erzählen. Aber Du, indem Du Dich ganz und gar darauf einlässt, wirst damit zu einem Teil dieses Buches. Und dann wird es schön. Verdammt schön.”

Lernt Max, Mischa und all die anderen kennen. Vielleicht hat Harstad sich das so vorgestellt, dass wir, die wir beim Lesen allein mit dem Buch sind, uns dann trotzdem alle in Gedanken treffen, an diesem Ort, den er geschaffen hat.

Ich werde jedenfalls noch eine ganze Weile dort sein. Versprochen.

 

Die Ermordung des Commendatore I – Haruki Murakami

Wir alle kennen dieses Gefühl des Verlorenseins, welches Haruki Murakami in seinen Büchern oft beschreibt. Ich weiß, worauf ich mich bei ihm einlasse und doch kann er mich immer wieder aufs Neue überraschen.

“Ich griff nach dem Baumstamm und ließ mich mit der Strömung treiben. Um mich herum war es stockdunkel, und am Himmel waren weder Mond noch Sterne. Solange ich mich festhielt, würde ich nicht untergehen, aber ich hatte keine Ahnung, wo ich mich gerade befand und wohin die Reise ging.” (S. 67)

Der erste Teil des neuen Romans zeigt ganz klassische Züge der Kriminalliteratur und es gelingt Murakami, kontinuierlich Spannung aufzubauen, die dann am Schluss mit einem echten Cliffhanger endet. Im Roman selbst gibt es ein paar Kunstgriffe, die mich beim Lesen leicht irritierten, die ich aber im Nachhinein als solche erkannte, beziehungsweise für mich deuten konnte – und daraufhin einmal mehr wieder beeindruckt war. Auch gibt es eine Szene, bei der ich fast ahne, dass sie für Irritationen sorgen wird. Und doch – es gehört einfach zu Murakami, denn auch scheinbar unpassende Offenbarungen sind ein wiederkehrendes Motiv in seinem Schaffen. Diese beiden Anmerkungen sind allerdings schon “Kritik auf hohem Niveau” und sie fallen für mich insgesamt nicht allzuschwer ins Gewicht.

Die Frage was und wieviel braucht es für ein gutes Leben ist unterschwellig den ganzen Roman lang spürbar. Was ist genug? Auch die Zeit spielt eine große Rolle.

“Es musste eine angemessene Zeit vergehen – dann würde ich wissen, worauf es ankam. Darauf musste ich warten. Wie man geduldig darauf wartet, dass das Telefon klingelt. Ich musste auf die Zeit vertrauen, dran glauben, dass sie auf meiner Seite war.” (S. 254)

Unser Alltag ist meist nicht allzu mysteriös.

Umso bereitwilliger nehmen wir uns den Vorfällen in Haruki Murakamis Romanen an und öffnen uns für diese Geschichten. Schlagen die Seiten auf und lassen uns ganz darauf ein, wieder mit Murakami in einen gedanklichen Brunnen zu steigen. Während über uns unser Leben vielleicht noch Wellen schlägt, sinken wir auf den Grund wo es nur noch uns und das Buch gibt.

Und was ist das wieder für ein Buch! Alle Musikliebhaber werden auch diesen Roman wieder mit Genuß lesen, speziell, wenn sie Opern-Fans sind. Die meisten Markierungen sind in meinem Exemplar an den Stellen, bei denen es sich um das Malen und das Erschaffen von Kunst dreht. Hier setzt Murakami für mich wieder kleine, feine Widerhaken, die sich zart in mich bohren und mich nicht loslassen wollen.

Ein kleiner Nachsatz sei mir an dieser Stelle gestattet.

Denn eine Frage, die mir auch gestellt wurde lautet: Ist es wieder ein echter, ein typischer Murakami? Zuerst will ich nicken, denn vieles kennen wir bereits aus seinen vorherigen Romanen und diese Kontinuität macht ja auch den großen Reiz aus. Allerdings fragte ich mich nach kurzem Zögern, warum manche (Kritiker) gefühlt mit einer inneren Checkliste herumlaufen – kommen diese und jene Elemente vor, ist das auch wieder mit dabei? Was hat es für einen Sinn oder Gehalt, diese Punkte abzuarbeiten um das Buch zu bewerten, statt sich lesend das Buch zu erobern? Sich zu fragen, was das Buch mit einem macht, auf welche Reise man sich gemeinsam begeben hat?

Aus den Dingen heraus, die über Haruki Murakami und sein Schreiben bekannt sind, würde ich sagen, dass es ihn persönlich wahrscheinlich kalt lassen wird, ob er auf einer fiktiven Murakami-Skala die höchste Punktzahl erreicht.         Was er sich aber meiner Vermutung nach wünschen würde ist, dass wir Leserinnen und Leser uns ein aufs andere Mal wieder auf seine Bücher freuen. Und uns verlieben.

Das Winterbuch – Tove Jansson

Die letzten Tage des Jahres waren eher düstere Wintertage, mit wenig Licht und einem großen Bedürfnis danach, sich zurückzuziehen und zur Ruhe zu kommen. Das nächste Jahr lag aber auch bereits verheißungsvoll vor uns, wie ein liebevoll zurechtgelegtes Kleid für einen neuen Tag. In dieser Stimmung entfalteten die zusammengestellten Texte im Winterbuch von Tove Jansson bei mir große Wirkung. Das Winterbuch – Tove Jansson weiterlesen

Duell – Joost Zwagerman

Es gibt sie, diese Romane, bei denen Du schon nach dem kurzen Text in der Verlagsvorschau weißt – das wird was. Das wird etwas Großes. Du schreibst also eine e-Mail an den Verleger und bittest um ein Exemplar. Als es eintrifft, liest Du es in einem Zug durch, mit von Seite zu Seite wachsender Begeisterung und einem verschmitzten Grinsen im Gesicht, als Du es fertiggelesen hast.

Ein herrlich böser Ausflug in die Kunstszene und ihre menschlichen Abgründe. Was ist dran an der Kunst, was kann sie bewirken und wozu kann sie Menschen treiben? Ein Kokettieren mit Absichten und versteckten Motivationen und an dem ein oder anderen Seitenhieb wird auch nicht gespart.

Duell” ist einer jener seltenen Fälle, wo alles von Anfang bis zum Ende stimmt. Die ersten Sätze. Die Geschichte, die sich langsam entfaltet und immer mehr an Fahrt zunimmt. Es ist eines jener Bücher, welches man im Beratungsgespräch empfiehlt und was dann nach einem ersten Anlesen mit leuchtenden Augen zur Kasse getragen wird.

Wenn ich dieses Jahr nach einem Lieblingsbuch aus den Herbstneuheiten gefragt werde, steht “Duell” ganz oben auf meinem Zettel – und das mit Recht!

 

 

 

Ich habe einen Liebesbrief geschrieben

Diese Woche bin ich zu einem Konzert meiner Lieblingsband gegangen und habe mich verliebt. In die Hingabe. In die Leidenschaft. In die Bereitschaft, für seine Träume Zeit zu investieren und immer weiter zu machen. Die Worte reihten sich in meinem Kopf aneinander, während ich meine Kollegin dort oben stehen sah, ganz eins mit ihrer Gitarre und der Musik. Habe ihre Bandkollegen betrachtet, die verzückt, konzentriert und mit Spaß an der Sache waren. Und mir gedAwomanwithherguitaracht, wie froh ich sein kann, dass all diese Menschen so mutig sind.

Das ist ein Liebesbrief an euch alle, die ihr Kunst schafft. An die Musiker’innen, die stundenlang üben, um den richtigen Anschlag zu finden. An die Maler’innen, die immer wieder vor einer weissen Leinwand sitzen. An die Autor’innen, die jeden Tag aufstehen, sich an den Schreibtisch setzen und ihrem Kopf Geschichten entlocken. Es ist oft hart und anstrengend und sicher die mehr als die Hälfte der Zeit alles andere als glamourös.

Ihr habt Durchhaltevermögen. Ihr gebt zum Teil sichere Verhältnisse auf, um eure Träume zu verwirklichen. Und ihr seid mutig, unfassbar mutig. Jeder, der schon einmal lange auf ein Ziel hingearbeitet hat, kann das bestätigen. Wenn unsereins die ersehnte Marathonzeit nicht gelingt, so ist das durchaus eine Enttäuschung, aber eine, die wir meist nur mit Freunden teilen. Aber mit etwas, dass von uns selbst kommt – und was könnte persönlicher sein als Kunst – an die Öffentlichkeit zu gehen, unsicher, ob die Welt verstehen wird, was ihr sagen wolltet, ob sie es lieben werden oder in der Luft zerreissen – das ist absolut bewundernswert. Denn jedesmal, wenn eine Bühne betreten wird, ein Buch gedruckt, ein Bild auf die Leinwand gezogen wird, verlasst ihr das sichere Ufer, betretet ihr eine wackelige Brücke, ohne genau zu wissen, wohin sie führen wird und ob sie hält.

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Ich danke jedem, der seine Musik, seine Worte, seine Farben in die Welt hinauslässt. Denn wir brauchen diese Menschen. Ihr gebt uns mit euren Songs, Büchern, Bildern Gelegenheit, uns nicht einsam zu fühlen. Den Lieblingssong mit der Freundin zu teilen, uns jemandem nah zu fühlen, der das gleiche Buch liebt wie wir, ein Bild in den Händen zu halten, das uns an einen innigen Moment erinnert. Weil man denen, die das Leben reicher machen, jeden Tag sagen soll, wie sehr wir das schätzen, was sie für uns tun und wir es alle viel zu selten sagen, schreibe ich euch heute diesen Liebesbrief – Danke für alles!

Die Doors und Dostojewski – Susan Sontag

Heute geht ein großes Lob an Karla von der Buchkolumne. Ohne sie wäre ich nämlich nicht zu diesem Buch gekommen. Von alleine hätte ich wohl kaum zu Susan Sontag gegriffen, deren Name mir zwar bekannt ist, die ich mir aber “nicht zugetraut” habe. Und dann dieser Interview-Band: eine kleine Offenbarung. Was für eine kluge, gewitzte und vielschichtige Frau! Der Titel sagt es eigentlich: “The Doors und Dostojewski”. Mein Mann sagte vor dem Traualtar zu mir, ich sei die einzige Frau, die er kenne, die Literatur und Popkultur gleichermaßen in sich vereint. Dieses Interview (neben einigen anderen AHA-Momenten) hat mich auch darin wieder bestärkt…ich werde dazu ganz sicher noch einen kleinen Artikel schreiben. Bis dahin: lest dieses wunderbare Buch!