Ein Ort wie dieser – Marie-Aude Murail

Ich bin sehr zwiegespalten. Dieses Buch von Murail kommt definitiv nicht auf meine Liste der Bücher, die ich von ihr gerne gelesen habe. Es mag an meiner generell nicht sehr ausgeprägten Liebe zu Frankreich liegen – aber ich verstehe manches einfach nicht. Ich finde die Menschen affektiert und aufgesetzt, die Figuren die so angelegt sind, dass sie mir sympathisch werden sollen, wirken blass, unselbstständig und künstlich. Ich hatte manchmal das Gefühl, es sollte möglichst viel an Brennpunktthemen in dieses Jugendbuch, dreimal umgerührt, ein paar Klischees und Anti-Klischees dazu… Es mg hart klingen, aber gerade weil ich Murail mit “Simpel” so mochte, kann ich hier einfach nur ehrlich sein. Für mich sind diese beiden Werke wirklich enorm unterschiedlich.

Indigo – Clemens J. Setz

Die Kurzbeschreibung sowie das erste Presseecho, was ich las, hatten mich nicht gerade ermuntert. Die Leseprobe hingegen sehr. Also habe ich mich darauf eingelassen und habe es nicht bereut: Setz bricht ein wenig die “Literatur, die wir kennen” auf – er arbeitet mit unterschiedlichen Textarten/Schriften/Zetteln/Notitzen – (was mich zuvor abschreckte, machte im Roman einfach nur Sinn) und man lässt sich auf eine wilde Geschichte ein, die einen Sog entwickelte, dem ich mich nicht entziehen konnte. Spannendes Spiel um Wahrheit, Erleben und geheimnisvoll – ob zum Schluss alle Fäden zusammenlaufen, vermag ich nicht zu sagen, aber das Buch hat es in sich! Er hat mich durch seine neue Art, Literatur zu interpretieren überzeugt. Das Buch wagt etwas und trotzdem liest es sich nicht anstrengend sondern sehr fesselnd. Noch dazu wunderbar gestaltet, innen und aussen.

 

Der Hals der Giraffe – Judith Schalansky

Im Zuge eines Lesekreises der Longlist des DPB, hier mein Diskussionsbeitrag: Das passte für mich, jetzt mal rein von der literarischen Komponente prima auf die Longlist – vielleicht sogar die Shortlist. Ein sehr klarer, prägnanter Stil, fast schon ein wenig wütend, manchmal sehr stakkato. Von der Geschichte her (es sind 3 Tage im Leben einer Biologielehrerin) hat es mich so mittelmässig angesprochen – ein paar Dinge fand ich sehr vorhersehbar, einiges wiederholte sich ein wenig. Was aber wirklich genial gemacht ist, die Ausstattung (wunderschön, bei Suhrkamp) grafisch sehr ansprechend – auch innerhalb des Buches viele Illustrationen. Und da bekommt die Geschichte dann auch wieder einen Stern mehr von mir – die Übertragung von Biolgie und den “Arten” auf eine Schulklasse, die Verknüpfung dieser beiden “Aufzuchtbecken” sozusagen, das ist schon sehr gekonnt (vorallem wenn ich das Alter der Schriftstellerin bedenke). Doch, hat sich gelohnt.

Ein ungezähmtes Leben – Jeannette Walls

Ich habe “Ein Schloss aus Glas” geliebt. Und dementsprechend Angst gehabt, vor Walls nächstem Buch. Kann es überhaupt ähnlich gut sein? Worüber wird sie schreiben? Walls hat sich für die Geschichte ihrer Großmutter, Lily Casey Smith entschieden, auch aus der Sicht von Lily selbst erzählt. Auch wenn die Autorin einiges fiktives einfliessen läßt, die Eckpunkte der Biographie stimmen soweit – vieles hat Walls aus Gesprächen mit ihrer Mutter herausgefiltert. Und sie erzählt wieder – sooo hinreissend. Ich bin begeistert von dieser ungewöhnlichen Frau, die wirklich ein unangepasstes, ganz eigenes Leben geführt hat – voll mit Arbeit, Umzügen, Neuorientierungen und Rückschlägen, quer durch die USA – man langweilt sich keine Minute. Und obwohl einige Episoden, wie das Leben auf einer Ranch, mich im normalen Leben sehr selten interessiern – Walls schafft es, das ich alles aufsauge und nach mehr rufe! Alle Fans von ihrem ersten Werk werden sich außerdem darüber freuen, das man noch mehr Einblick in die Jugend von Walls’ Mutter bekommt – es macht das ganze noch “dichter”.

Ein klasse Roman, man hat das Gefühl das Lily neben einem auf einem Pferd reitet und Dir ihre Lebensgeschichte erzählt – immer noch kein bisschen müde und immer noch voller Hunger auf das Leben!

Der Himmel ist blau, die Erde ist weiss – Hiromi Kawakami

Dieses Buch wird untertitelt mit “Eine Liebesgeschichte” – und was für eine! Bin ja ein Fan von japanischen Liebesgeschichten, sind die Rituale des umeinander werbens, des Gespräches, der Annäherung doch so ganz anders als hier in Deutschland. Ich tauchte in dieses Buch ein, ließ mich von der Poetik der Sprache verzaubern, faszinieren vom Umgang der Liebenden miteinander und verliebte mich – in dieses Buch.

Eine wunderbare Geschichte, die mich zum Schwärmen und zum Weinen brachte, ohne das sie jemals ins kitschige abgleiten würde. Klare Empfehlung für alle mit Frühlingsgefühlen – noch dazu ist die Taschenbuchausgabe von DTV in gewohnter Weise mit einem sehr passenden Cover versehen worden. Also auch äußerlich ein Genuß!

Und vielleicht nicht für jeden so wichtig, für mich aber eine Erwähnung wert: ich mag die intensiven Beschreibungen, wenn es ums Essen geht. Und da das japanische Essen sich ja doch grundlegend von der westlichen Küche unterscheidet, habe ich diese Passagen besonders genoßen…

Becks letzter Sommer – Benedict Wells

Ich kann mich hier kurzfassen: dieses Buch muss in jede Reisetasche im Sommer 2010. Wells schreibt rasant und mit einer Kraft, das man von Anfang an gefesselt ist, von der Geschichte des Lehrers Beck, der statt mit eigener Band durchzustarten, dann doch “nur” Lehrer wurde. Liest sich super, lässt einen laut lachen und mitleiden, ob der obskuren Entwicklungen, die schlussendlich zu einem Roadtrip quer durch Europa führen…die kleine Anmerkung sei mir erlaubt, das ich zuerst nach Beenden des Buches etwas enttäuscht war, das Beck das rasante zum Schluss hin verlor, fast schon unerträglich langsam wurde und so einige schriftstellerische “Breaks” drin hatte. Nach einer Nacht darüber schlafen bin ich jedoch froh darum – die Schreibweise hat sich der Entwicklung des Romans angepasst – Beck würde sagen – ein langsames “fade out…”

Nachtzug nach Lissabon – Pascal Mercier

So, der “Nachtzug ” ist durch! Was für ein Buch! Hatte anfangs eigentlich Skepsis das ich sehr lange brauchen würde, weil es doch als “nicht ganz einfach” gehandelt wird. Kam aber sehr gut durch, absolut lesenswert, ich war am Ende, so hatte ich das Gefühl, selbst in Lissabon unterwegs. Trotzdem, ich habe über 5 Tage für dieses Buch gebraucht, weil ich es tlw. “wirken” lassen musste. Aber das hat es verdient!
http://bfriends.brigitte.de/foren/2370535-post33.html Hier nochmal eine etwas längere Meinung von mir im Zuge einer Diskussion.