Als das Ehepaar Marilyn und Irvin D. Yalom erfahren, dass Marilyn schwerkrank ist und sie nicht mehr lange zu leben hat, ist das Paar, das seit 65 Jahren verheiratet ist, tief erschüttert. Marilyn, die als Kulturwissenschaftlerin und Autorin arbeitet, schlägt Irvin vor, ein Buch über diese letzten Monate zu schreiben. „Unzertrennlich – über den Tod und das Leben“ wird das erste und gleichzeitig auch das letzte Buch, was dieses außergewöhnliche Ehepaar gemeinsam verfassen würde. Unzertrennlich – Irvin D. Yalom und Marilyn Yalom weiterlesen
Schlagwort: Liebe
Kintsugi – Miku Sophie Kühmel
Mitte Juni:
Ich schlage das frisch eingetroffene Leseexemplar von Kintsugi auf. Nach wenigen Minuten lege ich es beiseite und schreibe meiner Freundin eine Nachricht.
“Also, wenn das Buch so gut ist wie die ersten zehn Seiten, wird das mein bisheriger Herbstliebling!”
Dann lese ich weiter. Lerne Max und Reik weiter kennen, die seit zwanzig Jahren ein Paar sind. Eines, von dem man sagt, dass es sich perfekt ergänzt, der Archäologe und der Künstler, eine besondere Verbindung. Die beiden wollen dieses Jubiläum feiern, im engsten Kreis in ihrem Wochenendhaus. Zu Gast: ihr ältester Freund Tonio und dessen Tochter Pega, die Max und Reik als ihre erweiterte Familie versteht, schließlich waren sie von Anfang an Teil ihres Lebens. Kintsugi – Miku Sophie Kühmel weiterlesen
#ichwillihnberühren – OJ & ER
Das Internet ist oftmals Segen und Fluch zugleich. Es kann ein kalter, extrem anstrengender Ort sein. Doch gleichzeitig passieren dann auch wahnsinnig schöne Sachen im Netz. Alles begann im November 2017 bei der Online-Community Jodel, mit einem simplen Satz von OJ.
Ich (m) hab mich in einen Kumpel verliebt und jetzt liegt er in Boxershorts neben mir im Bett.
Das sich aus diesem Geständnis eine der schönsten Online-Liebesgeschichten entwickelt, hätte OJ wohl selbst nie gedacht. #ichwillihnberühren – OJ & ER weiterlesen
4 3 2 1 – Paul Auster
Roofer – Jutta Wilke
Irgendwann wird jemand den Halt verlieren. Wieviel ist Dir die Anerkennung und die schwindelerregende Freiheit wert, wenn Du doch mit nur einem einzigen Schritt alles verlieren kannst?
“Ich hätte es verhindern müssen. Ich hätte irgendetwas tun müssen, um es zu stoppen. Man muss doch etwas tun. Man konnte doch nicht einfach nur zusehen. Aber genau das habt ihr getan, flüstert die Stimme in mir. Ihr habt zugesehen. Alle. Immer wieder.” (aus “Roofer” von Jutta Wilke, Seite 10/11)
Ich bin ein Mensch, der generell eher lieber am Boden bleibt, eine latente Höhenangst begleitet mich bei jedem Aussichtsturm. Die Protagonisten in Jutta Wilkes Roofer hingegen lieben die Höhe, in der sie sich unendlich frei fühlen – eine Freiheit, die sich allerdings in Sekunden in einen tiefen Fall verwandeln kann. Als Alice durch ihre beste Freundin Nasti die “Roofer” kennenlernt, kommt sie in Berühung mit dieser ihr noch fremden Welt, die sich hoch über ihr auf Dächern, Baukränen und Gerüsten abspielt. Doch der Kick, den die Clique aus diesen Abenteuern zieht, überträgt sich nicht auf Alice. Im Gegenteil, ihre Sorge um ihre Freunde wächst ständig und sie versucht verzweifelt, diese zur Vernunft zu bringen. Auch will sie sich nicht damit abfinden, ihre beste Freundin nach und nach an einen der waghalsigsten Roofer zu verlieren – Trasher, in den Nasti wahnsinnig verliebt ist. Aber da ist auch noch Nik, der auf der Straße lebt und dem Alice langsam näherkommt.
Wilke schafft es, die halsbrecherischen Mutproben über den Dächern äußerst authentisch zu schildern, die Dramatik mancher Situationen ist mit Händen greifbar. Genauso greifbar bleibt aber auch die Gefahr, die Wilke niemals verklärt oder romantisiert, ein Aspekt, der gerade im Jugendbuch für mich eine wichtige Rolle spielt. Im Gegenteil, sie zeigt eindrucksvoll, zu welchen Taten Gruppenzwang, angebliche Liebesbeweise und gegenseitiges Übertrumpfen wollen führen können. Und ihren jugendlichen Lesern stellt sie mehr als einmal unausgesprochen die Frage – was würdest Du tun? Und welcher Schritt ist ein Schritt zuviel in die falsche Richtung?
Ein dramatischer Jugendroman über den Dächern Frankurt am Mains ab 14 Jahren.
Was man von hier aus sehen kann – Mariana Leky
Wir sind begeistert und hingerissen von Mariana Leky! Denn dieser Roman hatte uns Buchhändlerinnen und Buchhändler im Buchladen nacheinander wie eine Kettenreaktion erfasst – und wir ergaben uns gerne. Dieser Roman wird die Herzen erobern – da sind wir uns schon jetzt ganz sicher! Ein sprachverliebtes Buch über ein kleines Dorf und seine Bewohner, mit all ihren Eigenheiten. Eine Liebesgeschichte und eine Familiengeschichte, bei der man abwechselnd lacht und weint. Kurzum – ein heißer Anwärter auf ein Lieblingsbuch.
Und mittlerweile ein kleiner Nachtrag – aus unserer Begeisterung heraus hat sich das Buch zum internen Bestseller entwickelt, yay! Noch dazu wurde es im Rahmen der “WuB” (Woche der unabhängigen Buchhandlungen) zum Lieblingsbuch der Unabhängigen gewählt. Wenn das nichts ist! (Ergänzung Ende Oktober 2017)
Sommer in der kleinen Bäckerei am Strandweg – Jenny Colgan
Erinnert ihr euch noch an Polly, ihre herrlich duftenden Brote und die Bäckerei auf der kleinen Halbinsel? Mittlerweile ist es Sommer geworden und Polly muss sich so einigen unerwarteten Herausforderungen stellen. Oftmals sind Fortsetzungen ja eher lauwarm, bei diesem Cornwall-Roman ist das glücklicherweise nicht der Fall. Auch der zweite Band ist wieder herrlich charmant und witzig erzählt, denn die Geschichte um Polly, ihren Freund Huckle und Neil, den Papageientaucher bietet noch so einiges an Stoff zum Erzählen. Als Urlaubslektüre bestens geeignet und wer den ersten Band “Die kleine Bäckerei am Strandweg” noch nicht kennt, packt den auch gleich noch mit in den Koffer
Ein wenig Leben – Hanya Yanagihara
Wir kennen ihn alle, den Hype bei Romanen, die lange vor Erscheinen vollmundig angekündigt werden. Auf deren Klappentexten sich ein Superlativ an den nächsten reiht. Jeder scheint es zu lesen, die Meinungen schwanken von einhelliger Begeisterung bis hin zu kokettierender Ablehnung, man würde das Buch nicht lesen, weil es alle anderen auch lesen. Allein diese Aufmerksamkeit, die für den einzelnen Titel geschürt wird, kann also einen sehr gegenteiligen Effekt haben: Neugierde erwecken oder Ablehnung produzieren. Will ich als Leser*in im Mainstream mitschwimmen? Mitreden können? Oder versuche ich, meine vielleicht vorhandenen Vorurteile zur Seite zur schieben und mich zu fragen ob mich die Geschichte überhaupt interessiert?
Seit “Ein wenig Leben” im späten Herbst bei mir eintrudelte, lag es auf einem Buchstapel, geduldig bereit zu warten, bis ich einige Tage frei hatte und mich ganz den 960 Seiten widmen konnte. Bis dahin habe ich, scheuklappenmäßig, alle Berichte und Meinungen, ganz gleich, in welche Richtung vermieden. Am glücklichsten bin ich doch, wenn ich zumindest ansatzweise vorurteilsfrei in eine neue Lektüre finden kann, weder mit zu hohen, noch zu niedrigen Erwartungen.
Ich schlug also diesen Roman auf und verlor mich in ihm, in seiner Sprache und in den Bildern, die Yanagihara vor meinem geistigen Auge entstehen lässt, die auf viele pathetisch, gar übertrieben wirken könnten. Ich hingegen nahm einen Stift und strich sie an, eine Angewohnheit, die ich äußerst selten beim Lesen eines Romanes anwende. Nachdem ich das Buch beendet hatte, las ich in einem Interview, dass eine häufige Kritik am Stil des Romans sein überbordendes Wesen sei – für mich war es eine der Stärken.
Was er an seinen abendlichen Fahrten noch liebte, was das Licht, die Art und Weise, wie es die Wagen füllte wie etwas Lebendiges, wenn die Bahn über die Brücke ratterte, wie es die Müdigkeit von den Gesichtern seiner Sitznachbarn wusch und sie so zeigte, wie sie gewesen waren, als sie in dieses Land gekommen waren, als sie jung waren und Amerika noch für bezwingbar hielten.” (S.40)
Was mich an Romanen fasziniert, dass sind die Menschen, die ihn bevölkern. Die Protagonisten Seite um Seite besser kennenzulernen, was sie antreibt, was sie umtreibt, woher sie kommen und warum sie sich entschließen, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es tun. Hier folge ich vier jungen Männern, die einige Jahrzehnte lang eng freundschaftlich miteinander verbunden sind. Ich sehe ihnen beim Wachsen zu, bei ihren Erkenntnissen, ihren Fehlern, ihren Erfolgen, ihren dunklen Stunden.
Der Roman ohrfeigt mich und teilweise muss ich ihn wirklich kurz beiseite legen und Atem schöpfen. Und dennoch habe ich während der Lektüre nicht einmal das Bedürfnis, aussteigen zu wollen. Der Sog ist zu stark, das schwarze Loch ist unerbittlich, die ausschweifende Art des Erzählens wiegt mich in einer fragilen Sicherheit, bis ich wieder nach Luft schnappen muss.
Seine Freundschaft zu Jude, so kam es ihm manchmal vor, beruhte zum großen Teil darauf, dass er sich nicht die Fragen stellte, die er sich eigentlich hätte stellen sollen, weil er sich vor den Antworten fürchtete. (S. 100)
Hier wird ein Leben verhandelt und wieviel Freundschaft und Liebe ertragen und verarbeiten können. Nicht nur die Protagonisten fühlen sich oft hilflos zum Zusehen verdammt, auch wir als Leserinnen und Leser fragen uns intuitiv, was denn ein Leben ausmacht. Was macht uns stark, wieviel kann der Mensch aushalten, wer bestimmt, was auszuhalten ist und was nicht?
Eine Aufgabe der Literatur ist es, uns aufzurütteln, an unseren Überzeugungen zu kratzen und uns immer wieder und wieder zu hinterfragen. Literatur wird diese Aufgabe vor allem dann erfüllen, wenn ihre Figuren intensiv gezeichnet sind, wenn wir beim Lesen Reaktionen zeigen und selbst an unsere Grenzen gebracht werden. Eine einfache Liebesgeschichte wird selten die gleichen Widerhaken in einem setzen, wie es eine Geschichte kann, deren Handelnde Fehler machen, die Abgründe in sich haben und die uns erlauben, auch ihre dunklen Seiten zu sehen, ihre Narben, Verfehlungen und ihre eigenen Vorwürfe an sich selbst.
Ein Buch, über das man sprechen möchte, Stunde um Stunde.
Strand am Nordpol – Arnaud Dudek
Kennt ihr das, wenn ihr ein Buch nach der Lektüre zuklappt und denkt: also hier hat einfach alles genau gepasst? Eine ungewöhnliche Freundschaft und eine alte Liebesgeschichte mit abruptem Ende. Ein federleichter, französischer Stil, der hier und da in einen charmanten Plauderton verfällt und doch nie ins Kitschige abgleitet. Es gibt ein paar Ausflüge in die Schwermütigkeit und doch ist es nie bitter. So ein Buch ist Strand am Nordpol – ein wunderbares Geschenk für alle, die gerne Geschichten lesen, wie sie das Leben schreibt.
Formbewusstsein – Frank Berzbach
Dieses Buch ist kein Ratgeber. Es ist auch keine Anleitung zum Glück. Es ist besser – denn es ist eine Einladung, sich mit den vorherrschenden Themen in unserem Leben zu beschäftigen und ihre Formen auszuloten. Ganz oft fühle ich mich von Frank Berzbach in meinem Alltag abgeholt. Nehmt euch Zeit für dieses Buch, legt ein Notizbuch neben euch und lasst euch darauf ein.
Ich mag den intensiven Blick, den er auf das vermeintlich “nicht so wichtige” Alltägliche legt, denn das ist, was wir in unserem Leben bewusst gestalten sollten. Wenn er sich fragt, warum wir uns nicht die Zeit nehmen, für uns zu sorgen und unseren Frühstücksteller schön anzurichten, die Farben und verschiedenen Geschmacksrichtungen zu genießen? Für uns allein – einfach, weil wir bei jedem Essen auch entscheiden, wie wir uns selbst behandeln? Oder welchen Einfluss Ordnung, Besitz und auch Smartphones auf unser heutiges Leben haben. Das klare und bibliophile Design des Buches schafft es, die Aussagen noch klarer hervorstechen zu lassen, bei vielen Zitaten krame ich das Notizbuch hervor, um sie schriftlich zu verinnerlichen.
Auch Dinge, die ich instinktiv bereits tue, werden hier aufgegriffen. Zum Beispiel, am Morgen einige Zeit darauf zu verwenden, mich dem Tag entsprechend anzuziehen, eine Aussage über mich und meinen Anspruch an diesen Tag durch meine Kleidung zu treffen. Erfrischend, dass er das nicht als Oberflächlichkeit abtut, sondern sehr viel tiefer in seiner Deutung geht, Kleidung unter anderem auch als “nonverbale Kommunikation” versteht. Eine weitere Gemeinsamkeit lässt mich lächeln – wir schreiben beide gerne mit der Hand und genießen diese bewusste Langsamkeit, die das Schreiben mit einem Füllfederhalter mit sich bringt.
Besonders sticht heraus, dass er in jedem Kapitel eine Vielzahl an Gedanken zusammenträgt und eigene Schlüsse daraus zieht, sich aber so weit zurücknimmt, dass der/die LeserIn beginnt, eigene Gedanken zu entwickeln und für sich zu philosophieren. Das Buch ist herrlich frei von strikten Vorgaben oder Verteufelungen, es bildet zunächst einmal den heutigen Zeitgeist ab und fragt sich – wie kann uns das, was wir jeden Tag erleben, bereichern? Oftmals spielt allein die Dosierung die entscheidende Rolle. Die Vernetzungen die in diesem Buch entstehen, spinnen mühelos neue Fäden in meinem Kopf weiter und lassen mich nachdenken und innehalten. Und was, frage ich euch, muss ein Buch mehr können?
<img src=”http://vg04.met.vgwort.de/na/ceaaeb1c141a4b488dce5fc95691e15f” width=”1″ height=”1″ alt=””>