Der schönste Job der Welt

Es ist mir auf Parties noch nie passiert, dass ich meinen Beruf nannte, ohne dass mir ein “Das wollte ich auch immer mal machen!” erwidert wurde. Buchhändlerin, ein Beruf, der das gewisse Extra zu haben scheint, obwohl er den Irrglauben, man könne den ganzen Tag zwischen den Regalen sitzen und lesen, in keinster Weise erfüllt. Die Vorstellung hält sich trotzdem hartnäckig. Bücher sind für viele Menschen einfach soviel mehr als nur eine Handelsware und die Idee, sich den ganzen Tag damit umgeben zu können, reizt viele – zugegebenermaßen auch mich, jeden Tag wieder aufs Neue. Und auch, wenn ich nicht den ganzen Tag lesen darf, so bleibt doch die tiefe Überzeugung, was für ein Glück ich habe, einen Beruf ausüben zu dürfen, der soviel mehr ist, als reiner Broterwerb – er gehört zu mir, definiert mich und macht mich aus.

Seit 13 Jahren bin ich Buchhändlerin im Buchladen am Freiheitsplatz und ich gehe jeden Tag gerne zur Arbeit, auch, weil ich das Glück habe, seit vielen Jahren mit großartigen Kolleginnen und Kollegen arbeiten zu dürfen. Außerdem habe ich einen Chef, der mir den Raum gibt, viel auszuprobieren und mich in meinen Vorhaben unterstützt. Ich liebe meinen Job und kann mir nicht vorstellen, diesen irgendwann gegen einen anderen einzutauschen. Ich begeistere mich für Bücher, weit über den Feierabend hinaus. Ich habe den Anspruch für mich und meine Arbeit mindestens 120 Bücher im Jahr zu lesen und landete in den letzten Jahren meist bei 150 – und trotzdem habe ich meist das Gefühl, dass ich nicht ansatzweise soviel lesen kann, wie ich gerne würde. Ich mag das Netzwerk unter Kollegen, Literaturbegeisterten, Bloggern. Unsere Stammkunden schaffen es, dass so ein kleiner 75qm Buchladen allen Unkenrufen des Branchenuntergangs zum Trotz weiter besteht. Ein kleines Märchen fast, in der heutigen Zeit und ich darf daran teilhaben und dazu beitragen. Samstage, an denen sich langjährige Kunden im Laden auf einen Schnack treffen, ein großes Hallo und Wiedersehen, ein “Was können wir euch vom Markt mitbringen?” für die Belegschaft oder Plätzchenpakete für das Team zu Weihnachten: unsere Kunden gehören genauso zum Buchladen dazu wie unsere Bücher und wir schätzen sie sehr.

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Warum ist dieser Beruf für mich auch Berufung? Weil wir Buchhändlerinnen und Buchhändler so viel in unserem ganz normalen Alltag tun, was für den einzelnen Tag nicht viel scheinen mag, in der Summe aber doch so viel ist. Wir sind Rechercheure, Literaturvermittlerinnen, Dienstleister. Wir finden Lösungen für verzwickte Probleme, oft auch solche, die nicht direkt etwas mit Büchern zu tun haben, wir wecken mit unseren Schaufenstern Wünsche, wir kommunizieren online und offline mit unseren Kunden und holen sie dort ab, wo sie sich gerade im Leben befinden. Wir stellen uns hundert Mal am Tag mit einem Lächeln auf die unterschiedlichsten Menschentypen ein. Ich nehme Bestellungen via Mail, Twitter oder Whatsapp entgegen und wühle mich gerne durch Buch-#Hashtags und Branchengruppen, immer auf der Suche nach Buchtipps, Inspiration und interessanten Menschen. Wenn ich morgens zur Ladentür hereinkomme, weiß ich nicht, was der Tag an schönen, kleinen Erlebnissen bringen wird.

Es wird durch die ansteigende Bandbreite an alternativen Medien zur Information und Zeitvertreib noch wichtiger werden, sich ungewöhnliche Maßnahmen einfallen zu lassen, um gerade unsere jungen Kunden zu überzeugen und auch um sie langfristig zu halten. Ein lesefauler Jugendlicher, der nach dem Urlaub zu mir kommt und sich für den Buchtipp bedankt und den nächsten Teil der empfohlenen Reihe kauft – ein Glücksmoment sondergleichen! Ich darf durch den gemeinsamen Einkauf mit unserem Team ein interessantes Sortiment anbieten, kann es mitsteuern und ihm Impulse geben, stoße durch Kundenbestellungen auf spannende Themen und gehe eigentlich nie nach Hause, ohne ein neues Wort für mich entdeckt zu haben. Durch unsere Alltags-Tätigkeiten, das Präsentieren von Büchern, das Empfehlen, das Bestellen und auch die viele Arbeit im Hintergrund, gestalten wir einen Raum, von dem viele sagen, dass sie sich dort gerne eine Nacht einschließen lassen würden (was wir mit unserer “Spätlese” möglich machen). Das ist schon eine besondere Art von Vergnügen, solch einen Ort lebendig zu halten und einer der Gründe, weshalb dieser Beruf für mich der richtige ist.

Die Buchbranche verändert sich und auch das ist immer wieder eine Herausforderung: Wie können wir die Vorteile nutzen, die das Internet für uns bringt? Wie können wir die Schwärmerei für ein leinengebundenes, illustriertes Buch mit dem Wunsch verbinden, unsere Kunden auch bei eBooks kompetent beraten zu können? Ich als Buchhändlerin sehe meine Aufgabe auch hier darin, unseren Kunden ein Mehr an Service zu bieten, ein Einkaufserlebnis und ein Lächeln beim Verlassen des Buchladens. Wenn unsere Kunden glücklich von “ihrem Buchladen” sprechen, wenn sie demonstrativ bei uns bestellen, statt bei Amazon, dann macht mich das stolz und zeigt, dass wir mit unserem Konzept und unseren Ideen auf der richtigen Fährte sind. Hier am Ball zu bleiben und sich immer wieder neu auf den Markt und seine Veränderungen einzustellen, das tun wir Buchhändlerinnen und Buchhändler kontinuierlich.

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Als Buchhändlerin in einem kleinen, unabhängigen Laden habe ich kein großes Marketingbudget zur Verfügung. Ich muss kreativ denken und mich jeden Tag fragen: Was will ich heute erreichen? Wen will ich begeistern, für das, was mich gerade umtreibt? Wie kann ich meinen Kunden den Deutschen Buchpreis nahe bringen, meinen Lieblingsautor oder mich noch mehr für Indiebooks und ihre Verlage engagieren? Und wie kann ich meine Projekte effizient planen und eine möglichst große Reichweite generieren, um viele Interessierte zu erreichen und neue Kunden zu gewinnen? Ich betreue mit großer Freude unseren Online-Auftritt, unsere Social Media Kanäle und verfolge die neuesten Entwicklungen im Netz. Die Abwechslung in unserem Berufsalltag, von dem ich hier auch immer noch nur einen kleinen Teil schildere, lässt es nie langweilig werden. So viele Projekte, die noch in meinem Kopf herumschwirren und im Notizbuch festgehalten werden, so viele, die bereits durchgeführt wurden.

Als ich für einen Branchenpreis eine Liste der Veranstaltungen und Aktionen, die ich durchgeführt hatte, einreichte, dachte ich:  Da hat sich in den letzten Jahren sehr vieles angesammelt, was Herzblut und Begeisterung für Literatur zeigt – und sovieles hat einfach unheimlich Spaß gemacht! Über den Beruf hinaus habe ich auch die Arbeit für meinen Literaturblog und die damit einhergehenden Kontakte und Aktionen sehr zu schätzen gelernt. Als ich den Blog begann, waren Blogs noch relativ selten und dort hat sich in den letzten Jahren unheimlich viel getan. Dass Pinkfisch.net mittlerweile 10 Jahre alt ist und es dort mittlerweile über 1000 Leseeindrücke gibt, ist auch Ausdruck dafür, wie wichtig die Konstante Literatur in meinem Leben ist.

Buchhändlerin also! Ich glaube, dass die Branche ohne junge Menschen, die ihren Beruf mit Leidenschaft und Begeisterung ausführen, sehr viel gefährdeter ist, sich zu verkleinern. Aber solange es noch Buchhändlerinnen und Buchhändler gibt, die sich jeden Tag darauf freuen, im Kleinen und Alltäglichen etwas zu bewegen, sich stets etwas Neues einfallen lassen um den Buchladen voranzubringen, bin ich frohen Mutes, dass die Buchbranche noch viel vor sich hat!

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Ein literarischer Abend mit Alf Mentzer

Wir sind Partnerbuchhandlung von hrInfo. Dort gibt es jeden Donnerstag die Bücherchecker – einer davon ist Alf Mentzer. Und immer wieder freue ich mich, wenn ich die wohlbekannte Stimme im Radio höre und auch im Literaturhaus Frankfurt dürfte ich ihn schon live erleben. Nun hatte unser Buchladen durch die Kooperation die Gelegenheit, einen ganzen Abend mit Gästen und Alf Mentzer zu gestalten. Jeder dürfte Bücher zum Thema Lebenswege mitbringen und man kam in gemütlicher Runde darüber ins Gespräch.

Für mich war das wieder ein Abend, der gezeigt hat, wie facettenreich und2016-03-05 08.35.40 spannend Literatur sein kann. Ehrlich gestanden hätte ich Alf Mentzer noch zwei Stunden länger zuhören können, wie er von Büchern schwärmt, Verbindungen zwischen Romanen knüpft und interessante Aspekte herausstellt.

Gemeinsam haben wir “Vom Ende der Einsamkeit” von Benedict Wells  vorgestellt und waren beide gleichermaßen begeistert von diesem Roman. Außerdem machte der Literaturredakteur mir große Lust auf “Überläufer” von Siegfried Lenz und hat mich davon überzeugt, dass ich David Mitchell doch noch einmal versuchen sollte – ich denke, ich werde mir seinen aktuellen Roman “The Bone Clocks” der dieses Frühjahr auf Deutsch erscheint, im Original zulegen.

Vielen Dank für einen tollen Abend, es hat sehr viel Spaß gemacht!

About my Shelf – Hrsg. von Maggie Gernatowski

Ich warne euch vor – wenn ihr dieses Buch zur Hand nehmt, plant entsprechend vor und vor allem genug Zeit ein. Einen Stift und das Notizbuch: zum Notieren der Bücher, die ihr nun lesen möchtet. Und: Lautsprecher und das Musikportal eurer Wahl um euch stundenlang durch die Musiktipps zu hören.

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Was habe ich dieses Kleinod gerne durchgeblättert und gelesen! Die Grundidee ist einfach.

10 Musikerinnen und Musiker erzählen uns etwas über ihre Bücherregale.

10 Autorinnen und Autoren erzählen uns etwas über ihre Plattenregale.

Dabei kam ein ganzer Schatz an Empfehlungen heraus, die durch das luftige und klare Layout leichtfüßig daherkommen. Eine grobe Form ist vorgegeben und doch hat man viel mehr das Gefühl, einem Gespräch zu lauschen als ein Interview zu lesen. Man gerät ins Stöbern, entdeckt komplett Unbekanntes und freut sich, wenn man gar bei einem geliebten Autor eine musikalische Gemeinsamkeit entdeckt ;-)  Ich liebe solche Bücher, die mir einen Einblick erlauben und mir etwas über Menschen erzählen, mit der der gleichen Leidenschaft für ihre Regalinhalte.

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Und daher gibt es jetzt auch gleich drei meiner neuen Anspieltipps, beim Durchhören für mich entdeckt:

 

The Earth Is Not a Cold Dead Place von Explosions in the Sky (die Band hört Karen Köhler manchmal beim Schreiben)

Landslide von Fleetwood Mac & I Still Do von I Am Kloot (hört Benedict Wells, wenn er etwas Trauriges schreibt)

Auf der Buchwunschliste gelandet sind:

Revolting Rhymes von Roald Dahl (liebstes Kinderbuch von Cherylin Macneil

Faserland von Christian Kracht (Hendrik Otremba nennt eine Szene aus diesem Buch auf die Frage nach seiner Lieblingsszene)

Ein besonderer Dank geht an dieser Stelle an meine Buchhändlerinnen-Kollegin Marijke, die dieses fabelhafte Buch für unseren Buchladen entdeckt hat! Ich wünsche ihm noch ganz viele Leser!

 

Die Doors und Dostojewski – Susan Sontag

Heute geht ein großes Lob an Karla von der Buchkolumne. Ohne sie wäre ich nämlich nicht zu diesem Buch gekommen. Von alleine hätte ich wohl kaum zu Susan Sontag gegriffen, deren Name mir zwar bekannt ist, die ich mir aber “nicht zugetraut” habe. Und dann dieser Interview-Band: eine kleine Offenbarung. Was für eine kluge, gewitzte und vielschichtige Frau! Der Titel sagt es eigentlich: “The Doors und Dostojewski”. Mein Mann sagte vor dem Traualtar zu mir, ich sei die einzige Frau, die er kenne, die Literatur und Popkultur gleichermaßen in sich vereint. Dieses Interview (neben einigen anderen AHA-Momenten) hat mich auch darin wieder bestärkt…ich werde dazu ganz sicher noch einen kleinen Artikel schreiben. Bis dahin: lest dieses wunderbare Buch!

Lieber Mr. Salinger – Joanna Rakoff

Letzte Woche las ich “Lieber Mr. Salinger von Joanna Rakoff. Die junge Frau begann ihre Karriere in der Literaturagentur, die J.D. Salinger vertrat. Die Agentur selbst wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen, denn im Jahre 1995 wurden dort weiterhin in allen Büros Schreibmaschinen genutzt. Und obwohl sie selbst bis dato keine Zeile des Autors gelesen hatte, wächst ihre Neugierde auf den zurückgezogenen Schriftsteller und sein Werk immer mehr. Ständig gehen Anfragen an den Autor ein und eine gewaltige Menge Fanpost, die “Jerry” aus Prinzip nicht beantwortet. Das Buch ist gespickt mit Hinweisen auf sein Werk  – und hat so richtig Lust gemacht, mal wieder Salinger zu lesen oder, ihn zu entdecken. Nachdem ich das Buch beendet hatte, musste sofort eine Auslage mit seinen Werken her…und einem großen Zettel mit der Aufschrift “Lest Salinger“. Spricht für das Buch, nicht wahr?

Hanauer Kanon – Hrsg. Dieter Dausien

100 Hanauer wurden nach ihrem Lieblingsbuch gefragt – auch ich. Das erste Buch, was der Buchladen, in dem ich arbeite, herausgibt und ich stehe drin – ein wirklich wunderbares Gefühl. Neben der Bibel, Brüder Grimms Märchen, Harry Potter, Kinderbüchern, Krimis, Liebesgeschichten findet sich auch mein Herzensbuch: Kafka am Strand von Haruki Murakami. Das Projekt hat viel Zeit, Nerven und Kraft gekostet – aber der Stolz, dieses leinengebunde Buch am Ende in den Händen zu halten, über die Seiten zu fahren und die Lieblingsbücher aller zu entdecken, an diesem bunten Strauß Literatur zu schnuppern – unbezahlbar.

Das Haus der vergessenen Bücher – Christopher Morley

Für alle Büchernarren, Bibliophilen, Leseratten, Schmökertypen, Buchhändlerinnen, Verlegerinnen, Buchliebhaber, Bookaholics, Buchsüchtige … ein kleiner Schatz aus dem 19. Jahrhundert, jetzt wieder entdeckt. Ein charmantes Buch, eine Hommage an Buchläden und Literatur und den schönsten Beruf der Welt: Buchhändler(in) sein!

Die Seiten der Welt – Kai Meyer

Mein erster Kai Meyer. Eigentlich ein Wunder, bin ich doch von vielen Seiten von Fans umgeben. Und doch bin ich ja keine ausgesprochen große Fantasyleserin. Hier kam dann alles zusammen, denn der Kombination aus wunderschöner Aufmachung und der Thematik konnte ich dann kaum widerstehen. Und Kai Meyer hat mich nicht enttäuscht, denn er hat mir eine spannende Geschichte erzählt, eine ganz neue phantastische Welt eröffnet und mich prima unterhalten. Besonders wird mir wohl im Gedächtnis bleiben, wie “down to earth” er geblieben ist. Ob das die prompte Reaktion auf unsere Buchladendeko zum Roman war oder der Moment, als wir bei S. Fischer am Messestand nebeneinander zu sitzen kamen und ganz locker ins Gespräch kamen, obwohl er sicherlich 1000 Dinge im Kopf und auf der Messe zu tun hatte. Wirklich, ausgesprochen sympathisch, dieser Autor