How to read Murakami – Zehn Wegweiser

Wenn ich nach meinem Lieblingsautor gefragt werde, kommt die Antwort ohne Zögern: Haruki Murakami. Die zweite Frage, die so gut wie immer folgt ist: Was ist dein Lieblingsbuch von ihm ? – auch das beantworte ich sekundenschnell: Kafka am Strand! Aber es gibt noch eine weitere Fragestellung, die regelmäßig aufkommt:

Was sollte ich denn nun zuerst von ihm lesen? Oder womit weitermachen, wenn ich Feuer gefangen habe? Sein Werk ist groß – ich brauche Orientierung!

Was gäbe es für einen besseren Anlass, als die am 13.10.2020 erscheinende Neuübersetzung von “Mister Aufziehvogel / Die Chroniken des Aufziehvogels” (durch the one and only Ursula Gräfe direkt aus dem Japanischen) um diese Fragen in einem Blogbeitrag zu beantworten? Ich habe seine Bücher in zehn Kategorien aufgeteilt, die euch vielleicht ein wenig als Wegweiser dienen können, angereichert mit meiner ganz persönlichen Leseerfahrung – jemand anders würde vielleicht ganz anders sortieren, was es umso spannender macht! Erzählt mir gerne in den Kommentaren, wie es euch mit Haruki Murakami so ergangen ist, welche Kategorieren ihr vielleicht gewählt hättet – ich bin gespannt!

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Murakami zum Zweiten – vom Laufen und Wiederlesen

Wenn sich nichts bewegt, musst Du dich bewegen. So in etwa waren meine Gedanken vor knapp fünf Wochen. 2008 habe ich “Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede” das erste Mal gelesen. Auch, wenn mich damals mehr Murakami als Autor fasziniert hat, die vage Idee, irgendwann selbst mit dem Laufen zu beginnen war da. Manchmal muss so ein Entschluss offensichtlich lange reifen, und als nun 2020 die Welt auf eine ganz neue Art und Weise still stand, dachte ich: jetzt oder nie!  Murakami zum Zweiten – vom Laufen und Wiederlesen weiterlesen

Die Ermordung des Commendatore I – Haruki Murakami

Wir alle kennen dieses Gefühl des Verlorenseins, welches Haruki Murakami in seinen Büchern oft beschreibt. Ich weiß, worauf ich mich bei ihm einlasse und doch kann er mich immer wieder aufs Neue überraschen.

“Ich griff nach dem Baumstamm und ließ mich mit der Strömung treiben. Um mich herum war es stockdunkel, und am Himmel waren weder Mond noch Sterne. Solange ich mich festhielt, würde ich nicht untergehen, aber ich hatte keine Ahnung, wo ich mich gerade befand und wohin die Reise ging.” (S. 67)

Der erste Teil des neuen Romans zeigt ganz klassische Züge der Kriminalliteratur und es gelingt Murakami, kontinuierlich Spannung aufzubauen, die dann am Schluss mit einem echten Cliffhanger endet. Im Roman selbst gibt es ein paar Kunstgriffe, die mich beim Lesen leicht irritierten, die ich aber im Nachhinein als solche erkannte, beziehungsweise für mich deuten konnte – und daraufhin einmal mehr wieder beeindruckt war. Auch gibt es eine Szene, bei der ich fast ahne, dass sie für Irritationen sorgen wird. Und doch – es gehört einfach zu Murakami, denn auch scheinbar unpassende Offenbarungen sind ein wiederkehrendes Motiv in seinem Schaffen. Diese beiden Anmerkungen sind allerdings schon “Kritik auf hohem Niveau” und sie fallen für mich insgesamt nicht allzuschwer ins Gewicht.

Die Frage was und wieviel braucht es für ein gutes Leben ist unterschwellig den ganzen Roman lang spürbar. Was ist genug? Auch die Zeit spielt eine große Rolle.

“Es musste eine angemessene Zeit vergehen – dann würde ich wissen, worauf es ankam. Darauf musste ich warten. Wie man geduldig darauf wartet, dass das Telefon klingelt. Ich musste auf die Zeit vertrauen, dran glauben, dass sie auf meiner Seite war.” (S. 254)

Unser Alltag ist meist nicht allzu mysteriös.

Umso bereitwilliger nehmen wir uns den Vorfällen in Haruki Murakamis Romanen an und öffnen uns für diese Geschichten. Schlagen die Seiten auf und lassen uns ganz darauf ein, wieder mit Murakami in einen gedanklichen Brunnen zu steigen. Während über uns unser Leben vielleicht noch Wellen schlägt, sinken wir auf den Grund wo es nur noch uns und das Buch gibt.

Und was ist das wieder für ein Buch! Alle Musikliebhaber werden auch diesen Roman wieder mit Genuß lesen, speziell, wenn sie Opern-Fans sind. Die meisten Markierungen sind in meinem Exemplar an den Stellen, bei denen es sich um das Malen und das Erschaffen von Kunst dreht. Hier setzt Murakami für mich wieder kleine, feine Widerhaken, die sich zart in mich bohren und mich nicht loslassen wollen.

Ein kleiner Nachsatz sei mir an dieser Stelle gestattet.

Denn eine Frage, die mir auch gestellt wurde lautet: Ist es wieder ein echter, ein typischer Murakami? Zuerst will ich nicken, denn vieles kennen wir bereits aus seinen vorherigen Romanen und diese Kontinuität macht ja auch den großen Reiz aus. Allerdings fragte ich mich nach kurzem Zögern, warum manche (Kritiker) gefühlt mit einer inneren Checkliste herumlaufen – kommen diese und jene Elemente vor, ist das auch wieder mit dabei? Was hat es für einen Sinn oder Gehalt, diese Punkte abzuarbeiten um das Buch zu bewerten, statt sich lesend das Buch zu erobern? Sich zu fragen, was das Buch mit einem macht, auf welche Reise man sich gemeinsam begeben hat?

Aus den Dingen heraus, die über Haruki Murakami und sein Schreiben bekannt sind, würde ich sagen, dass es ihn persönlich wahrscheinlich kalt lassen wird, ob er auf einer fiktiven Murakami-Skala die höchste Punktzahl erreicht.         Was er sich aber meiner Vermutung nach wünschen würde ist, dass wir Leserinnen und Leser uns ein aufs andere Mal wieder auf seine Bücher freuen. Und uns verlieben.

Hanauer Kanon – Hrsg. Dieter Dausien

100 Hanauer wurden nach ihrem Lieblingsbuch gefragt – auch ich. Das erste Buch, was der Buchladen, in dem ich arbeite, herausgibt und ich stehe drin – ein wirklich wunderbares Gefühl. Neben der Bibel, Brüder Grimms Märchen, Harry Potter, Kinderbüchern, Krimis, Liebesgeschichten findet sich auch mein Herzensbuch: Kafka am Strand von Haruki Murakami. Das Projekt hat viel Zeit, Nerven und Kraft gekostet – aber der Stolz, dieses leinengebunde Buch am Ende in den Händen zu halten, über die Seiten zu fahren und die Lieblingsbücher aller zu entdecken, an diesem bunten Strauß Literatur zu schnuppern – unbezahlbar.