Max, Mischa und die Tet-Offensive – Johan Harstad

Das erste, was ich über Max, Mischa & die Tet-Offensive las, war dieses Zitat von Autor Johan Harstad. Danach wusste ich: dieses Buch will ich lesen. Unbedingt.

«Einer der Gründe, warum das Buch so lang ist – abgesehen davon, dass es so sein muss, damit die Charaktere erzählen können, was sie erzählen müssen –, ist, dass es ein Ort für sich sein sollte, etwas, das dich anzieht, dich umgibt, aber auf gute Art und Weise. Ich wollte den Roman zu einem Ort machen, an dem man lange zu Hause sein kann. Eine Heimat für die Charaktere und vielleicht auch den Leser schaffen. Das Buch flüstert dem Leser sachte zu: Bleib hier drin. Hier bist du sicher.»

Und was hat er für einen Ort geschaffen! Ich habe wahrhaftig in diesem Buch gelebt, habe es in seinem eigenen Tempo kommen und gehen lassen. Die 1248 Seiten erschienen zu Beginn noch sehr mächtig, man fängt ein solches Buch nicht ohne einen gewissen Respekt an. Und doch wusste ich schon nach kurzer Zeit – das hier, mit diesem Buch und mir, das wird etwas Großes. Und je näher ich dem Ende kam, desto zögerlicher wurde ich, las langsamer und legte es schließlich 70 Seiten vor Schluss noch eine Nacht zur Seite, obwohl ich wissen wollte, wie es endet. Und dennoch einen Aufschub brauchte, um noch nicht am Ende angekommen zu sein.

Solch ein Buch, solch einen Ort hat Harstad geschaffen.

Noch während ich las, versuchte ich im Kopf, erste Sätze zu formen, um dieses Buch zu beschreiben. Um immer wieder festzustellen, dass jede Beschreibung zu kurz, zu ungenügend sein würde, meinen Ansprüchen nicht gerecht. Dass ich nicht darüber schreiben wollte, wem wir in diesem Buch begegnen, welche Stilmittel Harstad verwendet und wie das Buch literarisch einzuordnen ist.

Stattdessen möchte ich am liebsten jedem, der dieses Buch nachdenklich in der Hand abwiegt, in die Augen sehen und sagen: “Ja, dieses Buch wird dich fordern. Es wird mit Dir tanzen. Es handelt davon, sich einsam zu fühlen und das Gefühl von Heimat nicht in sich spüren zu können. Es handelt vom Krieg, von der Liebe, von Kunst und Theater und Harstad lässt seinen Figuren alle Zeit der Welt, davon zu erzählen. Aber Du, indem Du Dich ganz und gar darauf einlässt, wirst damit zu einem Teil dieses Buches. Und dann wird es schön. Verdammt schön.”

Lernt Max, Mischa und all die anderen kennen. Vielleicht hat Harstad sich das so vorgestellt, dass wir, die wir beim Lesen allein mit dem Buch sind, uns dann trotzdem alle in Gedanken treffen, an diesem Ort, den er geschaffen hat.

Ich werde jedenfalls noch eine ganze Weile dort sein. Versprochen.

 

In einer Person – John Irving

Mit diesem Irving war es wie mit einem alten Ledersofa: draufsetzen, sich heimelig fühlen, jede Falte kennen, über den Stoff streichen…und sich doch vielleicht mal ein wenig Abwechslung wünschen. Auch wenn ich noch nicht alle vorigen Bücher von John Irving kenne, begegnen mir doch in diesem Buch soviele alte Bekannte, Themen und Motive aus vorigen Büchern, dass ich ein kleines bisschen enttäuscht war, weil es mich nicht mehr so „zog“. Trotzdem: ich habe das Buch in einem Rutsch gelesen und gerade die Theaterbezüge konnten mich begeistern, genauso wie die wunderbare Bibliothekarin, mit der Irving wieder eine herrliche Figur geschaffen hat.

Da geht ein Mensch – Alexander Granach

(Lesekreis): Was für ein Buch! Ich bin sehr, sehr angetan. Und das mir, ich lese superselten Biographien. Aber hier ist so ein toller Stil vorhanden, die Seiten fliegen nur so dahin. Was ich faszinierend finde: der junge Granach hat ja schon die ein oder andere Schote auf dem Gewissen. Aber man verzeiht es ihm doch sehr schnell (Klauen, Prügeleien, Weglaufen), weil er so charmant, geradezu mit verzeihlichem Augenaufschlag erzählt. Das fasziniert mich. Und wie genau diese Bilder in meinem Kopf entstehen, ich habe auch zwischendurch die Augen geschlossen und sah alles vor mir, immer ein gutes Zeichen wenn ein Buch mich auch tagsüber begleitet.
Auch spannend wie man die unterschiedlichsten Stationen durchläuft in seinem Leben und es wirklich von sovielem abhängt was man später tut, wen man liebt, wer man wird. Es hätte für Granach auch komplett anders ausgehen können. Am liebsten war mir (von wirklich vielen Stellen) aber der Theaterbesuch und diese Begeisterung! Da geht mir das Herz auf, wie er schwärmt und weiss: das isses jetzt! Wow!

Gerade im ersten Teil (allein schon der Anfang) stecken einige so sprachlich besondere Sätze, auch ist die Sprache so bildhaft – vor meinem inneren Auge sind viele Bilder entstanden, was ich bei einer Biographie wirklich gut finde, ein Roman hat es da einfacher. Was mich zum Schluss hin sehr erstaunte – durch die Fotos wusste man ja schon, dass er später verheiratet ist und auch einen Sohn hat. Das dieser Teil seines Lebens komplett hintenüberfiel, hat mich erstaunt. Zunächst dachte ich, vielleicht ist es gewollt, die Familie nicht in den Mittelpunkt stellen, da aber sein Sohn ja auch ein Buch schrieb – vielleicht doch nur eigene Eitelkeit? ;-)  Er wirkt ja nicht wirklich wie ein eitler Geck, aber ist schon sehr selbstbewusst aufgetreten.
Der Kriegsteil war für mich auch anstrengender zu lesen. Andererseits war er auch wichtig für sein Leben und trotzte mir Respekt ab, wie er diese schwierige Zeit überstanden hat. Das er da rausgekommen ist – uff! Insgesamt war ich immer wieder erstaunt, wieviel passierte, wie sich an kleinsten Entscheidungen die Lebenswege verändern. Da denkt man dann schonmal – das Leben kann schon die verrücktesten Wege nehmen. Ein bisschen zu “charmant” überspielt waren mir viele Diebstähle. Vielleicht war es die Zeit, allerdings hatte ich da das Gefühl, es wurde eher als Kavaliersdelikt gehandelt, so schreibt er auch darüber.

Ich bin so Fry – Stephen Fry

Und weiter geht es mit der Biographie des Stephen Fry – hier werden nun seine College-Jahre und alles was danach folgt, Theater, Comedy, Radio, schriftstellerische Tätigkeiten geschildert. Fry ist recht gnadenlos mit sich selbst und im Verlaufe des Buches habe ich den Eindruck das er sich wirklich nicht gerade schont und versucht einen möglichst ungeschönten Einblick zu geben. Dieser zweite Teil seiner Biographie zog sich etwas mehr als der erste, was aber vorallem daran lag das ich die Medienlandschaft Großbritanniens zu dieser Zeit nicht besonders gut kenne und daher manchmal etwas erschlagen war von den ganzen Namen und Interna. Trotzdem – für jeden Stephen Fry Fan, für jeden Fan von feinem, britischen Humor und alle die schon immer mal wissen wollten wie Stephen Fry und Hugh Laurie Freunde wurden.