Was wäre, wenn die anonyme Ausschreibung für die Gedenkstätte, die nach 9/11 am Ground Zero entstehen sollte, ein Mann namens Mohammed Khan gewinnt? Dieses Gedankenexperiment wagt Amy Waldman in ihrem Roman – und es gelingt ihr schnell, den Leser zu fordern: was würde ich tun? Auf welcher Seite stände ich? Welche Überzeugung kann ich vertreten, ethisch, moralisch, menschlich? Die Menschen, die vor dieser Entscheidung stehen: eine Jury, Überlebende, Zurückgebliebene, Politiker, der Architekt selbst – und dazu kommt die delikate Auseinandersetzung über Religion, Macht und Aussenwirkung. Für mich hält Waldman das Tempo, wird dem sensiblen Thema gerecht und schafft es bis zum Schluss, das Niveau zu halten und dem Buch einen runden Abschluss zu geben, was für mich oft die Achillesferse eines Romanes ist. Hat mir sehr gut gefallen, empfehle ich gerne weiter.
Schlagwort: Tod
Das Schicksal ist ein mieser Verräter – John Green
John Green beschreibt oft Jugendliche auf der Suche nach sich selbst. Dass er jetzt in seinem neuen Jugendbuch seinen beiden Protagonisten Hazel und Gus dasselbe passieren lässt, überrascht nicht weiter – wohl aber, dass beide zwar nach sich selbst, dem Sinn des Lebens und vielem mehr suchen – aber überhaupt nicht wissen, wie lange sie dafür noch Zeit haben. Denn die beiden haben etwas gemeinsam – eine tödliche Krankheit. Kann man ein Buch über todkranke Jugendliche schreiben, der Tod stets im Raum – und trotzdem den Leser dazu bringen, bei diesem Buch nicht nur zu weinen, sondern auch zu lachen? Ja, man kann. Wenn man John Green heisst, der Autor, der einen so wunderbaren Blick hat für das Besondere in jedem einzelnen seiner Protagonisten. Für Witz und Galgenhumor, für Wünsche und Träume.
Ja, ihr werdet ein Taschentuch brauchen. Aber auch irgendwas zum Festhalten, wenn ihr laut lachen müsst. Ein eindrucksvolles, unbedingt lesenswertes Buch!
Ich nannte ihn Krawatte – Milena Michiko Flašar
Hat mir sehr, sehr gut gefallen. Ich hatte Gänsehaut, Tränen in den Augen – hier gehts um alles. Um das Leben, ums Überleben, mich hat es sehr berührt. Die Autorin malt in einer ganz unaufgeregten und doch poetischen Sprache so große Bilder. Hier treffen sich zwei Menschen, die der Gesellschaft verloren gegangen sind – im gemeinsamen Dialog finden die beiden ein wenig Halt im anderen und vielleicht auch ein wenig Weisheit. Dieses Buch ist so tieftraurig und auf der anderen Seite von so fragiler Schönheit… dieses Buch hat mich verändert und es wird auch andere Leser verändern, da bin ich mir sicher.
Wieviel Leben passt in eine Tüte? – Donna Freitas
Ein sensibel erzähltes Jugendbuch über das Leben einer Familie nach dem Verlust der Mutter – mit der wunderschönen Idee eines Survival-Kits, welches die Mutter vor ihrem Tod für die Tochter anfertigt – wohlwissend, dass ihr Kind diesen Anker brauchen wird. Die Gegenstände darin geben Rose zunächst Rätsel auf, aber mit jedem Tag ohne ihre Mutter ergeben sie nach und nach Sinn. An einigen Stellen wurde mir der Unterschied der Kulturen sehr bewusst, da gibt es schon einige Unterschiede zwischen den USA und Deutschland. Der Tod und der Umgang damit kennt keine Regeln und so ist es für mich in Ordnung, das Freitas ihren Figuren ganz unterschiedliche Arten der Trauer mitgibt, die vielleicht nicht für jeden nachvollziehbar sind.
Über uns Stille – Morton Rhue
Eigentlich mag ich Morton Rhue. Eigentlich mochte ich auch dieses Buch, welches sich mit einem fiktiven Atomangriff befasst – und der einzigen Familie innerhalb einer Straße, die wirklich einen Bunker baute, um zu überleben. Als der Angriff stattfindet, muss die Familie viele Entscheidungen treffen – zum Teil um Leben und Tod, denn der Zufluchtsort ist an sich nur auf die Familie ausgerichtet. Rhue hat hier ein, ich denke mal durchaus nicht ganz unrealistisches, Bild einer Katastrophe gezeichnet. Und doch überzeugt es mich nicht komplett – denn auch wenn es ein Jugendbuch ist, ist mir manches zu verknappt, zu vereinfacht gedacht (im Vergleich dazu ist „Die Welle“ obwohl nicht umfangreicher, viel anspruchsvoller, weil auch vieles zwischen den Zeilen stattfindet). Es ist insofern in Ordnung, weil es einen ganz guten Einstieg ins Thema bietet, allerdings würde ich es erst ab 14 empfehlen und mich dann fragen, ob mit 14, 15, 16 nicht schon deutlich „massivere“ Literatur zugemutet werden kann, mit mehr Inhalt und Gewicht.
Die Betäubung – Anna Enquist
Das Wort „verstörend“ kann man durchaus für diesen Roman anwenden – aber im positiven Sinne. Denn dieser Roman fällt ein wenig aus der Rolle, seine Beschreibungen, gerade was die Details im Krankenhaus angeht, die Vorgänge und Operationen sind so gestochen scharf und gehen einem nahe. Teilweise so sehr, dass ich pausieren musste (ich vertrage allerdings auch nicht sehr viel in diesem Bereich). Aber gerade das lässt den Roman für mich so hervorstehen – als ich im Nachwort las, dass Enquist im Zuge einer Literaturprojekts längere Zeit in einem Krankenhaus hospitieren dürfte, erklärte sich für mich diese Besonderheit, man hatte zum Teil wirklich beim Lesen das Gefühl, mit im OP-Saal zu stehen. Die Geschichte der beiden Geschwister, die zwei unterschiedliche Professionen abdecken (Anästhesistin und Psychoanalytiker) und durch einen gemeinsamen Nenner immer mehr ins Straucheln kommen, hat mich in ihren ganz eigenen Sog gezogen.
Abschied für Anfänger – Anne Tyler
Die Geschichte des Buches ist schnell erzählt, recht vorhersehbar und es war mir ein wenig zuviel „alles geht am Ende auf“-Gefühl. Bei einem anderen Autor würde ich es wohl als fast schon kitschig bezeichnen. Nicht so allerdings bei Anne Tyler – zum einen schreibt sie nicht seicht und zum anderen – das Leben kann durchaus diese Wendungen nehmen, „Geschichten die das Leben schrieb“ – und sie schreibt es so auf, dass ich es ihr abnehme.
Lieber Osama – Chris Cleave
Eigentlich fällt mir hier seit dem Lesen nur ein treffendes Wort ein: Heftig. Heftig, heftig, heftig. Hier kommt wirklich einiges an Leid, Dreck, Elend zusammen. Hier wird geflucht, verflucht, eine Frau verliert ihre Familie und fast auch sich selbst. Der Brief, den sie an den „Verursacher“ des Anschlags schreibt, hat sich gewaschen … tue mich sehr schwer: wem möchte ich so ein Buch empfehlen? Wer hält das durch und aus? Auch die Sprache ist nicht gerade “gediegen” – sie scheint mir authentisch, ist aber auch nichts zum lockeren Weglesen. Aber andererseits: es ist schon eine Kunst, so über eine Tragödie zu schreiben…
Man sagt sich mehr als einmal Lebewohl – David Servan-Schreiber
Manche Bücher rühren einen aufgrund der eigenen Biographie mehr an, als andere. Hier kann ich nur für mich, völlig subjektiv und persönlich sagen, es hat mich sehr berührt und demütig werden lassen und beim Lesen habe ich wirklich Taschentücher gebraucht. Es ist ein kleines, schmales Bändchen das Servan-Schreiber kurz vor seinem Tod noch vollendet hat. Indem er über das Sterben schreibt, so schreibt er auch gleichzeitig über das Leben und bei sovielen Gedanken habe ich mich angesprochen gefühlt. Ich empfand es als sehr mutig, dieses Buch zu schreiben, denn der Autor war selbst Arzt und hatte mit seinem “Antikrebs-Buch” für viel Aufsehen gesorgt. Für mich sehr eindringlich setzt er sich auch mit seiner Umwelt auseinander, die ihm auf unterschiedlichste Art und Weise zusetzt – warum seine eigenen Tipps bei ihm versagen zum Beispiel. Er ist gradlinig und ehrlich, was mir sehr imponiert hat. Er versucht nicht, DEN Weg aufzuzeigen. Er erzählt seine Geschichte. Ich wünsche diesem Buch viele, viele Leser, ob selbst betroffen, Angehörige, Freunde oder Menschen die offen sind für Gedanken, die man sich im alltäglichen Leben so nicht macht.
Beim Lesen dachte ich an eine ganz spezielle Frau, der ich diesen Leseeindruck widme. Und ich bin sicher, wären sie und der Autor zusammen ein Bier trinken gegangen, ihre Ansichten wären die gleichen gewesen. U – Du fehlst immer!
Mein letzter Sommer – Cesarina Vighy
Hier habe ich etwas komplett anderes erwartet. Hinten aufgedruckt steht “Eine Hymne auf das Leben im Angesicht des Todes” – ich erwartete eine Auseinandersetzung mit der Krankheit ALS, dem Sterben, dem Tod. Ein Buch mit klugen Gedanken, ein Buch das mich nachdenklich macht. Vielleicht liegt es daran, das ich mit diesem Buch nicht warm geworden bin. Die Autorin schildert über weite Teile ihre Lebensgeschichte, die sich zwar ganz nett liest, mich jetzt aber auch nicht gefangennahm. Auf ihre Krankheit kommt sie erst spät zu sprechen, wirklich gedanklich auseinander setzt sie sich damit auf nur wenigen Seiten und auch diese bleiben seltsam flach, es wirkt etwas zusammengeschoben mit den Erinnerungen an ihr Leben. Es mag der Krankheit geschuldet sein, vielleicht wurde das Buch in größerer Eile fertiggeschrieben, das würde es erklären. Für mich war es in dieser Form eher sperrig zu lesen und es hinterliess keinen großen Eindruck bei mir. Sehr schade!