Living Library – Für mehr Menschlichkeit und weniger Vorurteile!

Eine Veranstaltung hatte mich beim Durchblättern des Zürich liest’ 16 Programms sofort angesprochen, die sogenannte Living Library. Als Beschreibung stand dort folgendes:

Anstelle von Büchern kannst du an der Living Library Zürich Menschen für ein Gespräch ausleihen. Auf der «Leseliste» stehen ein Burnout-Betroffener, eine Asylbetreuerin, ein eritreischer Flüchtling, eine Jüdin, ein Journalist, zwei BDSM-ler, ein Krimi-Autor und ein Imam.

Living-Library-Zürich

 

Ich war also ziemlich gespannt, was mich erwarten würde. Die Auswahl eines “Buches” wollte ich spontan vornehmen, interessiert hätten mich definitiv alle. Wie es manchmal so ist – als ich zwischen zwei Veranstaltungen ins Festivalzentrum Karl der Grosse kam, waren alle Bücher ausgeliehen und ich hätte meine nächste Veranstaltung verpasst, bis zum nächsten Ausleihtermin. Zunächst war ich etwas geknickt, aber die anwesenden Veranstalter, eine Bibliothekarin und ein Bibliothekar standen mir Rede und Antwort, so dass ich nicht ganz unverrichteter Dinge wieder gehen musste.

Die beiden erzählten mir , dass sie die Idee 2010 in Istanbul entdeckt und sich gleich dafür begeistert hatten.Nach ihrer Erfahrung interessieren sich etwas mehr Frauen für die Living Library, etwa in einem Verhältnis 60 zu 40. Die Altersspannweite der Ausleiher*innen ist groß – alles zwischen 12 und 80 Jahren ist vertreten! Ich erfuhr, dass besonders großes Interesse an der jüdischen Religion und Kultur bestand und diese Person besonders oft “ausgeliehen” wurde. Außerdem erfuhr ich, dass das Konzept in Japan auch ausgesprochen erfolgreich ist.

Ausleihe-Living-LibraryBesonders spannend fand ich, dass auch die “Bücher” untereinander oftmals in den Dialog gehen. Durch die extrem unterschiedlichen Ausrichtungen ergeben sich dort schnell sehr intensive Gespräche und die Beispiele, die mir die beiden erzählt haben, waren sehr beeindruckend.

Bei bisherigen Veranstaltungen gab es noch weitere “Bücher”, z.B.

  • Hacker
  • Katholischer Ordenspriester
  • HiV-PositiveR
  • Banker
  • Transsexuelle
  • Sehbehinderte Person
  • Bauernpaar

Die Living Library ist ein unheimlich interessantes Konzept. Wenn wir uns aktuell in unserer Welt umschauen, bemerken wir immer wieder, wieviel Schaden Vorurteile anrichten können. Was Halbwissen verursachen kann und wie wichtig es ist, sein eigenes Handeln und Denken immer wieder zu hinterfragen. Statt schimpfend und aus irrationalen Ängsten heraus Schuldfragen herumzuschieben, ist es heute umso wichtiger, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und wirklich interessiert nachzufragen, statt Pauschalisierungen Glauben zu schenken.

Wer einmal jemand gegenüber saß, dessen Handeln man aus der Ferne nicht versteht und interessiert nachfragt, der wird danach nicht mehr derselbe sein. Denn er wird merken, dass, ganz egal welche Vergangenheit, Sexualität, Nationalität, Religion oder Weltanschauung der andere hat – mir gegenüber sitzt ein Mensch. Ein Mensch wie ich, dessen Leben genauso viel wert ist wie meines. 

Zurück in Deutschland ließ mich die Veranstaltung nicht los und so entdeckte ich bei meiner Recherche, dass die Veranstaltung bereits im Jahre 2000 das erste Mal in Roskilde/Dänemark durchgeführt wurde. Besonders viele Informationen zu Durchführung und Idee habe ich bei der Broschüre der Wuppertaler Initative für Demokratie und Toleranz e.V. gefunden – das PDF gibt einem alle nötigen Informationen an die Hand, wenn man selbst aktiv werden will, in Sachen Living Library. Ich würde mich freuen, wenn sich in meiner Stadt im nächsten Jahr die Möglichkeit ergibt, diese Veranstaltung ebenfalls durchzuführen. In Deutschland gibt es bereits einige Städte und Örtlichkeiten, die regelmäßig lebendige Bibliotheken anbieten: Haltet also die Augen offen!

Welches “Buch” würdet ihr gerne einmal ausleihen?


An dieser Stelle nochmals ein Dank für die Einladung an alle Initiatoren und Veranstalter von Zürich liest 2016 – es war ganz und gar wunderbar! 

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Zürich – und ihr kommt mit!

So langsam gluckert die Vorfreude immer wieder in mir hoch – in knapp drei Wochen ist es soweit und Zürich liest’ 16 öffnet am 26. Oktober seine literarischen Pforten. Nun würde ich euch ja am liebsten alle mit in den großen, pinken Koffer packen und dann gemeinsam mit euch Zürich kennenlernen. Den Festivaltrubel genießen, Lesungen besuchen, ins Gespräch kommen – kurz – das Lesen und die Literatur ordentlich feiern! Für alle, die daheimbleiben müssen, aber sich mit mir gemeinsam auf das Lesefestival einstimmen wollen und auch für alle, die ich dort antreffen werde und die “schon immer mal” gerne ein bißchen Zürich zwischen zwei Buchdeckeln entdecken wollten, kommt hier meine Beschäftigung der letzten Wochen!

Um mich ein wenig auf Zürich und seine Geschichte vorzubereiten, habe ich ganz klassisch zum Buch gegriffen. Denn meiner Meinung nach kann man die Atmosphäre einer Stadt ganz besonders gut erfassen, wenn man sie durch die Augen eines Autors/einer Autorin sieht.

Die “Gebrauchsanweisung für“-Reihe von Piper mag ich sehr und wenn ich auf Reisen gehe, bin ich immer glücklich, zu entdecken, dass das jeweilige LGebrauchsanweisung-fuer-zuerichand oder die Stadt in der Reihe auftaucht. Milena Moser, (deren Buch “Das wahre Leben” mir sehr gut gefallen hat) schreibt offen und ehrlich über Zürich, die Stadt, die sie gleich zu Anfang mit einer angeheirateten Tante voller Widersprüche vergleicht und dieses Bild zieht sich durch das ganze Buch. Zum Schluss ist mir eben diese “Tante Turica” richtig ans Herz gewachsen – mit all ihrer Schönheit und ihren Eigenheiten. Außerdem füllt sich dank Milena Moser meine Leseliste schnell und ich erfahre auch einiges über die bewegte Vergangenheit des Hotel Rothaus, welches nicht nur unser Hotel während der Festivalzeit sein wird, sondern auch die Bühne für die Lesung von Thomas Meyer bieten wird.

Krimis sind meiner Meinung nach eine der besten Methoden, um sich einer Stadt und ihrem Flair anzunähern. Daher war ich hocherfreut, als ich die Krimi-Reihe rund um Rabbi Klein von Alfred Bodenheimer, erschienen bei Nagel&Kimche (die am Samstag, 29. 10, 14:00 – 18:00 beim Offenen Nachmittag der Verlage mitmachen) entdeckte. “Das Ende vom Lied” zeichnete mir nicht nur ein anschauliches Bild von Zürich und auch dem jüdischen Leben dort, sondern machte mich auch mit dem herrlich menschlichen Rabbi Klein bekannt, der auf eigene Faust ermittelt. Dieser hat mir so gut gefallen, dass ich die beiden anderen Bände bald lesen möchte. Und das, obwohl ich normalerweise eher selten Krimis lese! 20161009_202057

Weil ich gerade ausnahmsweise in richtiger Krimistimmung war, dürfte direkt der nächste Fall folgen. Erschienen bei Emons, finden wir bei “Müller und die Tote in der Limmat” von Raphael Zehnder eine ganz eigene Sprache, eine sehr unvermittelte, direkte Ansprache, die ihren eigenen Rythmus hat – das muss man mögen, mir gefiel es sofort. Auch hier erfahre ich viel über Zürich und Zürcher Besonderheiten. Ich fühle mich bestens unterhalten und “Müller” ist ein spannender Protagonist. Einer der Roman-Figuren, dem Polizisten Manfred Bucher kann man sogar unter @BucherManfred auf Twitter folgen.

Wer sich noch mehr Zürich um die Nase wehen lassen will, kommt an Martin Suter nicht vorbei. Ich mag ihn seit Jahren, freue mich jedesmal wie ein Schneekönig über ein neues Buch von ihm. Eigentlich kann man fast blind zugreifen, aber meine besonderen Lieblinge bleiben doch “Small World” und “Die Zeit, die Zeit“. Außerdem – seine Business Class Kurzgeschichten – köstlich!Martin-Suter

Wenn in den hektischen Wochen vorher (die Buchmesse ruft) noch Zeit sein sollte, werde ich auch noch versuchen “Nackt gebadet, gejauchzt bis zwölf, Weltliteratur in Zürich – 50 Porträts“, ebenfalls erschienen bei Nagel&Kimche zu lesen. Allein der Titel klingt so, als könnte das ein sehr unterhaltsames Lesevergnügen werden! Diese Stadt hat wirklich viel zu bieten im Hinblick auf Literatur und Kultur – kein Wunder also, dass es dieses Jahr bereits das sechste Mal ist, dass “Zürich liest” stattfindet.

Habt ihr Lust auf Zürich bekommen? Ich kann es mittlerweile kaum noch erwarten…