Der Buchmessensonntag. Nach einem langen Spaziergang durchs Feld ordnen sich langsam die Gedanken. Die Messe und die Berichte danach sind wie jedes Jahr auch ein Anlass, zurückzublicken, zu reflektieren und zu sehen – wo stehe ich in diesem ganzen Trubel?
Meine allererste Buchmesse habe ich damals vor über einem Jahrzehnt wie im Rausch erlebt. Ehrlich gestanden habe ich auch jegliches Material mitgenommen, meine Taschen waren voll mit den Leseexemplaren für Azubis, dort viel wählerischer zu sein habe ich erst lernen müssen, aber wir waren ja alle mal jung. Ich war schon euphorisch, wenn ich eine*n unserer Verlagsvertreter*innen erkannte und ansonsten kannte ich keine Menschenseele.
Das hat sich jetzt, einige Jahre später, komplett gewandelt. Über die Jahre kamen nicht nur noch so einige Branchenkontakte aus den unterschiedlichsten Zusammensetzungen dazu, sondern auch vor einiger Zeit die Blogszene. Sehr zu meiner großen Freude, denn seitdem herrscht vor jeder Messe das Klassentreffen-Feeling vor. Diese Vernetzung, das Verlegen von online ins reale Leben, das genieße ich jedes Jahr aufs Neue.
Denn ich habe das Gefühl, meinen Platz gefunden zu haben. Und das ist für mich immer noch etwas, was mich manchmal ungläubig staunen lässt. Dass es da Menschen gibt, die lesen, was ich schreibe. Dass es Menschen gibt, die genauso nerdig und leidenschaftlich sind, was die Literatur angeht, wie ich. Die mir ein Kompliment aussprechen, welches mich rot werden lässt. Und dass ich in dieser Welt ich selbst sein kann.
Denn ich bin immer noch oft genug zu laut. Immer noch zu emotional. Und immer noch anders als die anderen. Sich trotzdem angekommen zu fühlen, als jemand, der sich so oft gefragt hat, wo der eigene Platz sein kann – Priceless.
Das Bloggen hat mir Möglichkeiten eröffnet und ich rede ganz bewusst nicht davon, das große Geld zu verdienen. Als die ersten eMails mit Kooperationen eintrudelten, fühlte ich mich geschmeichelt – wer wäre das nicht? Und dennoch habe ich im letzten Jahr sehr genau nachgespürt und auch durch den “Messeverstärker” wieder gemerkt, was ich möchte. Völlig unbeinflusst bloggen, das kann wohl niemand von uns und ich mache mich davon auch nicht frei. Wenn eine Kooperation oder eine Zusammenarbeit zu mir und meinem Blog passt, dann werde ich sie eingehen und entsprechend kennzeichnen. Aber wenn ich das Gefühl habe, zu einer Liftfaßsäule zu mutieren und mein Bauch protestiert, dann werde ich darauf hören.
Dennoch werde ich immer wieder Neues ausprobieren.
Ob es Buchpreisbloggen ist, ein Lesefestival als Bloggerin zu begleiten oder in der Jury für einen Offline-Schreibwettbewerb zu sitzen. Ich bin neugierig und jede Tätigkeit hat für mich auch einen großen Lerneffekt – auch wenn er manchmal darin besteht, nicht alles wiederholen zu wollen. Manches kann man nur durch eigene Erfahrungen für sich selbst sortieren. Der Blog ist für mich eine verdammt gute Sache – allerdings habe ich gleichzeitig auch einen verdammt tollen Job, der viel fordert, weshalb ich mir genau überlegen muss, was kann ich stemmen? Nein zu sagen, auch wenn es reizvoll ist, das war durchaus eines meiner persönlichen großen Themen dieses Jahr.
Als Buchhändlerin stehe ich so oder so ein wenig zwischen den Welten, denn die Leseexemplare die ich über meinen Job erhalte (und als Arbeitsmittel sehe, denn im Buchladen ist meine Beratungskompetenz nunmal Teil der Jobbeschreibung) sind immer noch deutlich in der Überzahl als diejenigen, die ich aktiv über den Blog anfordere – ich habe immer noch mehr Arbeitskontakte in den Verlagen als Bloggerrelations. Das macht das Bloggen für mich deutlich entspannter, der Druck wird rausgenommen, denn mein Alltag gibt es nicht her, mehrere Fristen pro Monat einhalten zu können. Und als ich in den letzten zwei Jahren einfach nicht mehr jedes Buch besprechen konnte und deutlich weniger veröffentlichte, war das vielleicht nicht professionell – aber es hat sich für MICH richtig angefühlt.
Warum gehen wir ins Internet und schreiben über Bücher?
Ich blogge auch, weil ich Menschen finden will, die ähnlich ticken. Ich blogge, weil ich meine Liebe für ein Buch in die Welt hinausschreien möchte. Weil ich manchmal über Bücher schreiben und sprechen muss, die mich umtreiben. Weil ich Menschen dazu bringen möchte, wieder mehr zu lesen und weil ich diese Art der Bildung für einen Grundpfeiler unserer Gesellschaft halte, der jede Art der Unterstützung bitter nötig hat. Und wie jeder Mensch habe ich das Bedürfnis, gesehen zu werden. Das Bloggen hat mir auch dieses Messejahr wieder Begegnungen verschafft, die ich sonst nicht erlebt hätte.
Eines dieser Highlights war das Treffen mit der mixtvision-Autorin Sarah Crossan, gemeinsam mit Daniela und Anka – dazu demnächst an anderer Stelle mehr. Für solche Möglichkeiten kann ich mich einfach nur bedanken! Genauso liebe ich es, dass meine Murakami-Liebe bei Dumont stets dafür sorgt, dass ich auf der Messe mit anderen Murakami-Hardcore-Fans zusammengeführt werde. Dass es ein Winken und Umarmen in den Gängen ist, ein Wiedersehen mit geschätzten Kolleginnen und Kollegen. Und natürlich gab es diesmal mit dem Buchblog-Award eine sehr besondere Preisverleihung, bei der ich als Jurymitglied auf der Bühne saß, in diese zig Gesichter sah und mich einfach nur gefreut habe, darüber, dass ich die geballte Vielfalt hier live erleben konnte. Das Börsenblatt und die F.A.Z haben darüber ebenfalls berichtet.
Manchmal lässt einen die Messe auch nicht nur mit dem Messeblues allein zurück, sondern auch mit einem Gedankenstrudel – Papiergeflüster hat dazu einen lesenswerten Beitrag über ihre Gedanken zum Buchbloggen verfasst. Und auch, wenn die Messe dieses Jahr für mich sehr viele schöne Momente bereithielt, gab es doch auch den ein oder anderen schwierigen Moment (nicht zuletzt das Ende des Messesamstages, was mich wie viele andere bewegt hat – ich finde mich im Statement von Kathrin Weßling am meisten wieder). Aber an diesen auch emotional herausfordernden Situationen und Empfindungen wächst man, und wenn ich eines gelernt habe, dann , dass Veränderung und das Herausfinden der eigenen Prioritäten und Ausrichtungen selten ohne wehzutun passieren können.
Die Blogszene ist groß geworden, wenn Tobias von Lesestunden über 1300 Buchblogs auflistet, da sind die Booktuber und Bookstagrammer noch nicht einmal dabei. Schon lange kann man nicht mehr die komplette Übersicht behalten und ich kenne mich in einigen Sparten auch nicht gut aus. Was ich aber tue, ist bewundern, was hier auf die Beine gestellt wird! Ich habe tiefen Respekt davor, wieviel Arbeit hier drinsteckt.
Vielleicht bin ich in dieser Hinsicht viel zu naiv, aber ich wünsche mir weniger Hickhack zwischen den einzelnen Gruppen, mehr Respekt und Toleranz zwischen den unterschiedlichen Sparten.
Ich wünsche mir, dass wir alle miteinander im Gespräch bleiben, uns offen begegegnen und gemeinsam Ideen entwickeln. Dass wir uns unterstützen und wir vorallem für unser Herzensanliegen stehen, die Literatur.
Dass wir miteinander sprechen, statt übereinander. Anfangen, weitermachen, in der schönsten Branche der Welt.
Mein Notizbuch jedenfalls ist voll, voll mit Ideen, manche haben mit Büchern zu tun, manche nicht, eines ist sicher – es gibt bis Leipzig viel zu tun!
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